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auf diesem Gebiete. Nicht allein, dass alles Vorausgegangene in Einzelheiten nun veraltet ist: die ganze Auffassung der Zeit hat ein neues Gesicht erhalten; der Forschung sind ganz neue Grundlagen geschaffen, und andere Fragen als bisher sind in den Vordergrund getreten. Man wird leicht nachweisen können, wie überhaupt die Behandlung der Geschichte des späteren Mittelalters von diesem Punkte aus befruchtende Einwirkungen erfahren hat.

Und was die mehr subjective Seite der Leistung anlangt, so sind Alle einig in Anerkennung des Bienenfleisses und des Spürsinnes, mit dem das Material zusammengetragen ist, des Scharfsinnes, der Umsicht und der Klarheit, womit die vielen sich daran knüpfenden kritischen Fragen erörtert werden, der Durchdringung dieses Stoffes durch eine lebendige Auffassung, die überall von den Acten energisch auf das politische Leben hinweist, dessen Niederschlag sie sind. An diesem Ruhme kann der Umstand gar nichts ändern, dass nun auf Grundlage des so bequem bereitgelegten Materials und nach weiterer Aufschliessung der Archive in gar manchen Einzelheiten die kritische Forschung im Anschluss an W.’s Ergebnisse oder auch im Gegensatz zu ihnen weiter vorgedrungen ist.

Am meisten Anerkennung fast hat das Werk als Editionsleistung in technischer Beziehung gefunden, und für den Autor war es eine besondere Genugthuung zu sehen, wie die von ihm aufgestellten Grundsätze für viele Unternehmungen – meist allerdings mit den landesüblichen Besonderheiten – massgebend wurden. Sein Verdienst ist es, für die Behandlung der deutschen Texte des späteren Mittelalters, insbesondere für die Vereinfachung der gehäuften Consonanten, ganz feste Regeln aufgestellt zu haben. Dieselben beherrscht ein durchaus klarer und einfacher Gedanke, der bis in die complicirtesten Einzelfälle hinein verfolgt wird: Beseitigung jedes bloss äusserlichen Schnörkels, Erhaltung alles dessen, was sprachliche Bedeutung hat, haben kann oder doch seiner Entstehung nach gehabt hat.

Einen Vorwurf freilich hat man wohl öfter gegen das Unternehmen hören können: dass es zu weitausgreifend sei, zu viel an unbedeutenden, nicht hingehörigen oder schon gedruckten Stücken, zu viel an Lesarten, zu viel an erläuternden Noten biete. Man fragte wohl, wohin man denn auf diesem Wege kommen solle in der späteren Zeit, wo das Material so riesenhaft anschwelle.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_332.jpg&oldid=- (Version vom 30.11.2022)