Seite:De DZfG 1889 02 335.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Die Zeit der Uebersiedlung nach Strassburg darf auch als ein Wendepunkt für die Entwicklung W.’s als akademischen Lehrers gelten. In Erlangen hatte er vorzugsweise die ihm zunächst ganz fern liegende alte Geschichte gelesen, in Tübingen umspannten seine Collegien ein weites Gebiet und waren für das Bildungsbedürfniss von Hörern verschiedener Facultäten berechnet. Er soll damals gerade den besonderen Aufgaben dieser Stellung vortrefflich entsprochen haben, als anziehender und anregender, wenn auch nicht eigentlich glänzender, akademischer Redner. Die eigentlichen Fachstudenten waren unter den Hörern in verschwindender Minderzahl.

Das wurde anders in Strassburg; die Uebungen begannen eine grössere Rolle zu spielen, und diese Entwicklung machte Fortschritte mit dem steigenden Rufe des Reichstagsacten-Editors und dann besonders in Göttingen an der Stätte des Waitz’schen Seminars. Auch verstärkte die dauernde Beschäftigung mit der Detailarbeit der Reichstagsacten diese Richtung. In den Collegien beanspruchte die kritische Erörterung wichtiger Einzelfragen einen immer breiteren Raum, dieselben führten vortrefflich ein in den Stand der wissenschaftlichen Controverse und in die Methode historischer Forschung, boten zwar zugleich auch eine durchaus geschlossene Darlegung der geschichtlichen Entwicklung, aber natürlich unter Verzicht auf eine leichtflüssige, rhetorisch packende Darstellung. Auch die Berufung nach Berlin, wo es hätte lockend scheinen können, auf ein grösseres Publicum zu wirken, liess diese Lehrweise unverändert.

Noch in Göttingen las W. neben mittelalterlicher auch neuere und neueste Geschichte, daneben auch Hilfswissenschaften; in Berlin erst beschränkte er sich auf 4 Collegien: Kaiserzeit, Interregnum bis Reformation, Reformation und Verfassungsgeschichte der germ. u. roman. Völker. Die letztgenannte Vorlesung war erst in Göttingen entstanden und dann, wie mir scheint, mit besonderer Liebe gepflegt. Sie berührte sich wie die über das spätere Mittelalter am meisten mit den eigenen Studien.

Das Schwergewicht der akademischen Thätigkeit lag seit der Strassburger Zeit wohl im Seminar. Nicht unvergessen darf zunächst bleiben, wie die Errichtung des Strassburger Seminars mit seiner Bibliothek wesentlich sein Werk ist, wie er dann in Göttingen für eine ähnliche Einrichtung kämpfte, die erst nach

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 335. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_335.jpg&oldid=- (Version vom 30.11.2022)