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in Berlin neigte er immer mehr dahin, denselben Stoff eine grössere Zahl von Abenden hindurch zu behandeln. Es hängt das wohl damit zusammen, dass er zeitweise, besonders in der Göttinger Zeit als Nachfolger von Waitz, einen gewissen Ehrgeiz in dem äusserlich sichtbaren Erfolg seines Seminars suchte, – so fern auch sein ganzes Wesen davon war, Schule im engeren Sinne zu bilden –, dass er aber später in der übermässigen Förderung des Dissertationswesens und der damit verbundenen vorzeitigen Specialisirung eine wachsende Gefahr für die allgemeine Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses erkannte. Ein Thema selbständig finden, meinte er wohl, sei für den Schüler die halbe Bearbeitung werth.

Vor der entsagungsvollen Arbeit an den Reichstagsacten und der akademischen Thätigkeit gelangte W. nicht zu dem, was gewiss von Anfang an das Ziel seines Strebens, die unbefriedigte Sehnsucht seiner späteren Jahre war: zu historischer Darstellung. Ja selbst für monographische Arbeiten blieb Jahre lang kaum Zeit; von 1860 bis 75 ist nichts derart von ihm erschienen. Damals folgte die aus Editions-Vorarbeiten erwachsene Abhandlung „Der Strassburger Fascikel v. 1431, ein Beitr. z. G. d. Reichstagsverhandlungen i. d. Hussitenzeit“ (Forsch. z. dt. G. Bd. 15, 1875). An verwandte Stoffe knüpfte auch die ak. Festrede an: „Geschichtl. Entwicklung der Idee e. allg. Reichssteuer in Deutschlands Vergangenheit“, Berlin 1882 (abgedr. in d. Dt. R.).

Zwischen beiden Publicationen liegt die Entstehung einer Schrift, welche in engerem Rahmen die Vorzüge der W.’schen Arbeitsweise vielleicht am ansprechendsten vereinigt: „Der Rheinische Bund von 1254“ (Tübingen 1879; ein Nachtrag in der Arch. Z. Jg. 4, 1879). Innerlich steht das zeitlich abgelegene Thema durch die grossen Fragen: Städtebund und Landfrieden, mit den Reichstagsacten unter K. Wenzel in naher Beziehung. Die Grundlage der Arbeit wird, ohne dass neues Material hinzukäme, durch eine glänzende Editionsleistung gewonnen. Aus einer Beobachtung von überraschender Einfachheit werden in anziehendster und scharfsinnigster Weise weitgreifende Folgerungen gezogen. Daneben tritt ein für W. charakteristischer Zug deutlich hervor: ein gesunder Realismus, ein Streben nach Anschaulichkeit, das sich nicht damit begnügt, die Acten dem Wortsinn nach zu verstehen, sondern nach den Dingen fragt, die hinter den Worten

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_337.jpg&oldid=- (Version vom 30.11.2022)