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darum, wohin sein eignes Interesse sich neigte. Mag er dabei auch hie und da im Eifer zu weit gegangen sein, das thut der grossen Hauptsache keinen Eintrag, dass nach Erkenntniss eines Missstandes dem Handeln niemals das eigene Interesse hindernd in den Weg trat. Er war in vielen Beziehungen gewöhnt, dasselbe zurückzustellen. Für sich bedürfnisslos, haushälterisch-sparsam für die ihm anvertrauten Interessen, war er zugleich von seltener Opferwilligkeit und Generosität. Und noch nach einer anderen Seite hin derselbe Grundzug: so lebhaft er persönliche Kränkungen, wirkliche und vermeintliche, empfinden konnte, es wird nicht vorgekommen sein, dass er ihnen Einfluss auf sein Urtheil über Jemandes Leistungen oder auf sein Handeln gestattete. Wohl konnte ihm leicht ein aufbrausendes heftiges Wort entschlüpfen; aber kam er in die Lage, auf das Schicksal des Anderen bestimmenden Einfluss zu haben, so handelte er mit einer Unbefangenheit, die selbstverständlich sein sollte, es aber in dieser Welt so wenig ist, dass Mancher sie als beschämende Grossherzigkeit empfunden haben wird.

Diesem Grundzuge reiner Sachlichkeit und Unbefangenheit entsprach auch sein Wirken als Historiker. Von jeder Beeinflussung durch Tendenzen oder Rücksichten war seine Forschung frei; die rein historische Kritik entschied, und nur das Streben nach Erkenntniss beeinflusste die Richtung seiner Studien. Als er das eine Mal in der oben erwähnten Festrede den gefährlichen Weg beschritt, die Ergebnisse dieser Studien in unmittelbare Beziehung zu politischen Tagesfragen zu setzen, da gab er nur seinen eigensten, lange gehegten Lieblingsideen Ausdruck.

Weizsäcker, dem Herausgeber der Reichstagsacten, dem scharfsinnigen, unermüdlichen Forscher ist ein dauerndes Andenken sicher. Möge darüber auch nicht vergessen werden, wie dieselbe Selbstverleugnung und Gewissenhaftigkeit, welche seine Arbeiten in technischer Beziehung auszeichnen, auch seine historische Auffassung beherrschen und sich in seinem Wirken überhaupt bethätigten, wie dies Alles Eins war in ihm und wie es Eins sein muss, soll nicht trotz glänzender Erfolge doch das Wesen der Wissenschaft Schaden nehmen.



Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_340.jpg&oldid=- (Version vom 30.11.2022)