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Der Winterkönig im Liede seiner Zeit.
Von
R. Wolkan.


Das Lied des deutschen Volkes im 17. Jahrhundert ist wesentlich verschieden von dem der vorangegangenen Zeit. Im 16. Jahrhundert hatte das Volkslied für kurze Zeit eine Blüthe erreicht, über deren schnelle Entwicklung wir ebenso staunen müssen, wie über deren raschen Verfall. Aber doch war sie in den Verhältnissen der Zeit vollauf begründet. Das 16. Jahrhundert hatte seit langer Zeit wieder zum erstenmal alle sonst so sehr auseinandergehenden Interessen in einem Brennpunkt vereinigt; Luther hatte mit seiner Lehre vor Allem auf das Gemüth der Deutschen gewirkt, und aus derselben Gemüthstiefe quollen nun, gleichzeitig mit den ergreifenden Weisen des neu erstandenen deutschen Kirchengesangs, alle die Tausende von Liedern, welche Lust und Leid des menschlichen Lebens in der mannigfachsten Beleuchtung uns widerspiegeln. Neben diesen Weisen fand das historische Lied nur geringen Spielraum. Es fehlte dem 16. Jahrhundert an gewaltigen Kämpfen, die das deutsche Gemüth von der Versenkung in sich selbst hätten ablenken und auf die Ereignisse der Aussenwelt hinleiten können.

Ganz anders das 17. Jahrhundert. Das Ende des zweiten Decenniums entfachte in Deutschland einen Kampf, der, weil er die schönste Errungenschaft des verflossenen Säculums, die Glaubensfreiheit, bedrohte, aller Aufmerksamkeit auf sich ziehen musste. Im Mittelpunkte der ersten Jahre des unglückseligen

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Diverse: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 2 (1889). Mohr, Freiburg i. Br. 1889, Seite 390. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_390.jpg&oldid=- (Version vom 2.12.2022)