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Indem ich nun in meinem öffentlichen Leben auf einem Puncte stehe, welcher meinen Ehrgeiz für die Vergangenheit wohl befriedigen und für die Zukunft reitzen könnte, habe ich auch in jeder andern Rücksicht Ursache zufrieden zu seyn. Wenn das Glück aber auch viel für mich gethan hat, so ist mir doch nicht alles im Schlafe geworden, und in der obigen Skizze der letzten acht Jahre liegen manche herbe Zeiten, während deren ich wahrlich nicht auf Rosen geschlafen habe und die die Concentration aller meiner Kräfte oft auf eine fiebrische Weise bewirkten und erforderten. Ich habe viel über Leben, Menschen, über menschliche und politische Verhältnisse erfahren und eine gewisse Uebung für die Leitung schwieriger Verhältnisse erlangt. Es haben sich auch manche allgemeine Grundsätze ausgebildet, – jedoch weniger der Zahl nach, als Sie vielleicht glauben; denn von Zeit zu Zeit müssen welche wieder verabschiedet werden. Ein grosses Glück aber nenn’ ich in Vergleichung mit dem, was Sie mir über Ihr Leben sagen[1], dass ich eigentlich noch keine schwere Erfahrung in Liebe und Vertrauen, das ich verschenkt und welches mit Undank erwiedert worden wäre, gemacht habe. Vielleicht ist diess auch der Grund, warum ich es wahrhaft unmöglich finde, Andern nicht nützlich zu seyn, wenn man die Gelegenheit dazu hat. Freylich rechne ich nie auf Dank; denke überhaupt auch nicht mehr daran, so wie Jemand geholfen ist; aber ich habe die Lust an den Menschen doch auch in den einzelnen Fällen nicht verloren, da Solche, denen ich für Stein Brot gegeben hatte, mich verläumdeten.

Als ich im Jahre 1817 in den Honigmonaten meiner Ehe stand, wurde mir das Liquidiren mit Frankreich einmal plötzlich zu langweilig[2], und ich mahlte mir den Gedanken aus, wie hübsch es wäre, wenn ich mit meiner Frau in Rom leben könnte. Da mich um diese Zeit noch nichts an Preussen fesselte, so schrieb ich an den König

    kenne einige ihrer Herren Kollegen.“ Arndt, Nothgedrungener Bericht II, 148.

  1. Vergl. Planta a. a. O. S. 237 ff. In einem Brief an Rehfues bezeichnet sich Tscharner als ein „Opfer seines Zutrauens, seines Glaubens an die Menschen“, u. s. w. Unter dem 24. Febr. 1823 klagt er über „unauflösbare Verwickelungen, drückende Sorgen, schuldlose Misskennung, Bitterkeiten aller Art“.
  2. Noch andere Gründe wirkten mit. Die preussische Regierungsmaschine, schrieb er am 23. Febr. 1817 an Tscharner, behage ihm nicht; sie befinde sich noch in dem Zustand, worin sich 1805 die Armee befunden habe. Diejenigen, welche sich in den Jahren 13 und 15 durch kräftiges Wirken ausgezeichnet, seien verdächtig; man wolle ihnen „bleierne Mäntel“ anlegen, „um ihnen das Spazierengehen zu verleiden“.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 457. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_457.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)