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gethan, und so wie die These vor achtzig Jahren von ihm formulirt worden ist, hat sie bis heute keine Antwort gefunden[1]. Die Anhänger seiner Lehre könnten daher wohl, wie er von den Philosophieprofessoren, so von uns Historikern sagen, es gehe uns mit dem fatalen Satze: „Die Geschichte ist ein Wissen, keine Wissenschaft“, wie dem Magus, der beim Anblick des Teufelchen Asmodeus im Fläschchen denkt: „Ich weiss, kommst du heraus, so holst du mich[2].“ Um so mehr scheint es zumal bei der grossen Verbreitung seiner Schriften[3] angemessen, das „Galgenmännlein“ endlich einmal zu näherer Betrachtung ans Licht zu ziehen, wenn wir uns nicht des Secretirens schuldig machen wollen, welches nach Schopenhauer ein Menschenalter hindurch die Taktik der Philosophieprofessoren seinem Systeme gegenüber war. Auch ist es ja wohl eine historische Aufgabe, die Frage zu beantworten, wie der Zeitgenosse Niebuhr’s und Ranke’s zu seinen historischen Paradoxien kam, und des weiteren, wie seine Definition der Geschichte mit dem Ganzen seines Systemes zusammenhängt und von diesem gestützt wird.

Da ist es nun gleich auffallend, wie die Geschichtschreiber der Philosophie immer geschwankt haben, welche Stelle sie Schopenhauer im Entwicklungsgange der philosophischen Wissenschaft anweisen sollen. In einer Hegel’sehen Geschichtsconstruction ist allerdings für ihn kein Platz vorhanden. „Eine gewisse Nothwendigkeit, d. h. eine gesetzmässig fortschreitende Entwicklung“ hat jedoch auch Schopenhauer, wie er in seiner

  1. Vgl. F. Laban, Die Schopenh. Literatur. Versuch einer chronolog. Uebersicht derselben. Leipzig 1880. Nur Schopenhauer’s „Erzevangelist“ J. Frauenstädt hat 1867 unser Thema in vermittelndem Sinne behandelt unter dem Titel „Schopenhauer’s Geschichtsphilosophie“ im „Deutschen Museum“, hrsg. von Prutz u. Frenzel S. 673–81, 718–25. In der Einleitung zu Sch.’s Werken Bd. I, S. 23 entschuldigt er Sch. damit, dass er nur die alte, unwissenschaftliche Geschichtschreibung, nicht aber die neue, wissenschaftliche eines Buckle gekannt habe!
  2. E. O. Lindner u. J. Frauenstädt, A. Schopenhauer. Von ihm. Ueber ihn. Memorabilien, Briefe u. Nachlassstücke. Berlin 1863, S. 487 in einem Briefe an F. vom 11. Juni 1848. Das Buch im Folgenden als „Memorab.“ citirt.
  3. „Die Welt als Wille u. Vorstellung“ und die „Parerga und Paralipomena“ liegen bereits in 6. Aufl. vor, die bei jener mit der 4., bei diesen mit der 3. Aufl. identisch ist. Leider war mir die 1. Aufl. der „Welt“ u. s. w. von 1819 zum Vergleiche nicht zugänglich.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_049.jpg&oldid=- (Version vom 19.10.2022)