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Philosophen zusprach, insofern gerade sie es ihm möglich mache, „seine Individualität auszubilden, zu entfalten, zu benutzen, nicht nur für sich, sondern auch für andere“[1], so wirft das allerdings ein eigenthümliches Licht auf eine Lehre, die uns keinen besseren Rath weiss, als die Weltflucht.

Wie sehr ihm aber der historische Sinn abging, das beweist, wie schon öfter hervorgehoben worden ist, seine Gleichstellung der Lehre Kant’s, Platon’s und der Upanischaden, das beweist vor allem seine autodidactische, unkritische Citirmethode, für welche ultramontane Geschichtsklitterungen unserer Zeit ein lehrreiches Analogon darbieten. Denn begegnen wir bei ihm auch keiner Ungeheuerlichkeit, wie es die Urvolkhypothese Fichte’s, Schelling’s und ihrer Nachfolger ist, so scheut er doch nicht vor der Behauptung zurück, dass die ersten Menschen schwarz gewesen seien, wesshalb auch die ältesten Madonnenbilder diese Farbe trügen[2], er zögert nicht, Indra, Ormuzd und Jehova, ferner Wodan und Buddha zu identificiren[3], er entdeckt frischweg im Buddhaismus und Christenthum nicht bloss ideelle, sondern auch historische Verwandtschaft[4], und wenn er seine Lehre von der Verneinung des Willens zum Leben durch Beispiele belegen will, so gelten ihm die aus irgend einer Englischen Zeitung geschöpften Notizen über die erbauliche Rede eines Verbrechers auf dem Schafott als vollwerthige Zeugnisse seiner Theorie[5]. Nicht mit Unrecht hat ihn daher ein geistreicher Franzose[6] den letzten aus der Generation der Voltaire, Diderot, Helvetius und Chamfort genannt. In historischen Dingen wenigstens steht er noch ganz auf dem Boden des Rationalismus. Und doch nannten wir ihn einen Geistesverwandten der Romantiker? Die Wahrheit ist, dass er mit diesen nur den masslosen Cultus des Genies theilt, die vertiefte Anschauung der Geschichte, als die segensreichste ihrer Bestrebungen, ihm dagegen versagt blieb. In Kant’s Kritik der Urtheilskraft fand er wohl den Satz, dass die Wissenschaften als ein Lehrbares, Nachzuahmendes nicht zu dem Gebiete des

  1. Memorab. 744.
  2. W. a. W. II, 627. Parerga II, 168 fg.
  3. W. a. W. II, 716 fg. Parerga II, 405 ff.; 433.
  4. Parerga II, 410 ff.; 415.
  5. W. a. W. II, 726 fg.
  6. Foucher de Careil, Hegel et Schopenh.: Paris 1862. S. 176. „Heureux ceux qui ont entendu ce dernier des causeurs de la génération du dixhuitième siècle.“
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_063.jpg&oldid=- (Version vom 12.11.2022)