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Kritik an dem Verfassungswerke der Constituante, dem er den Vorwurf macht, dass „fünf Sechstheile republikanischer seien als Rom, Karthago und Athen“, während doch „die Versammlung die Beibehaltung der monarchischen Erblichkeit nothwendig glaubte“. Auch meint er der vorhandenen Generation, in deren höheren Classen er überaus viel sittliche Fäulniss sieht, nicht die Kraft zutrauen zu dürfen, für diese Verfassung reif zu sein. „Sie ist bloss für die Vernunft berechnet, und hier hat sie mit Leidenschaften, mit verdorbenen Leuten zu thun, es ist ein schönes Kind, in den Ausschweifungen eines Bordels geboren, wer darf erwarten, dass es gesund darin erzogen werde. Wir müssen hoffen, dass die folgende Generation besser ausfällt.“ Ebenso hat er ein scharfes Auge für die Gefahren, welche von der „Dictatur“ des Jacobinerclubs drohen. Er fürchtet, dass sie „grosses Unheil anrichten werde“, so fest er auch von der Meinung durchdrungen ist, dass „patriotische Gesellschaften“ für die politische Bildung des Volkes unentbehrlich seien.

Alles Gesagte würde den Verfasser der Bruchstücke noch nicht einer grossen Beachtung werth machen. Ueberaus merkwürdig wird er dadurch, dass er in einem bestimmten Zeitraume mit den bedeutendsten Persönlichkeiten Fühlung hat und an bedeutenden Ereignissen als Hörer, Zuschauer oder Mithandelnder Antheil nimmt. Was vor dem October 1790 liegt, scheint er allerdings vielfach nur aus Berichten anderer, darunter aber vieler, welche im Vordergrunde des öffentlichen Lebens gestanden hatten, erfahren zu haben. Vom October 1790 bis zum Juli 1792, abgesehen von einer kurzen Reise während des Frühlings 1792, steht er dagegen selbst auf der grossen Bühne. Und welche Galerie der Hauptacteure macht er uns bekannt! Von Mirabeau spricht er als von einem nicht selten Gesehenen. Er erzählt Dinge von ihm, die sich sonst nicht finden. Er weiss, dass Talleyrand, „der Bischof von Autun, eine vollständige Liste aller Verfasser der Werke Mirabeau’s besitzt“. Er trifft „in zwei oder drei Häusern einen Knaben, den man als einen Sohn Mirabeau’s vorstellte“[1]. Mit Sièyes hat er vertrauten Umgang. Er verdankt ihm allem Anscheine nach manche wichtige Mittheilung,

  1. Es war jener Lucas (de Montigny), der 1834, 1835 die sogenannten Mémoires de Mirabeau herausgegeben hat.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_102.jpg&oldid=- (Version vom 20.10.2022)