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des neuen Herausgebers sind sehr wenige wahrhaft nützlich. Man hat demselben noch vorgeworfen, die bisher angenommene Ordnung der Briefe umgestürzt zu haben. Baluze war der Anordnung des Manuscripts selbst gefolgt; Desdevizes hat sich bemüht, die Briefe chronologisch zu ordnen, ein sicherlich wenig gelungener Versuch. Der neue Herausgeber scheint sich nicht bemüht zu haben, in den Plan des Urhebers der Sammlung einzudringen. Vielleicht hätte ihn diese Vorfrage dazu geführt, eine ganz andere Anordnung zu Grunde zu legen. – Befolgt hat diese so ergiebige Methode J. Havet in seiner schönen Ausgabe der Briefe Gerbert’s[1]. Diese für das 10. Jahrhundert überaus wichtige Sammlung war bisher noch nicht gründlich im Zusammenhange bearbeitet worden. Die Ausgabe d’Olleris kann für ganz ungenügend gelten, und die chronologische Anordnung dieser undatirten, dunkeln und räthselhaften Briefe, die Namen und ganze Satzglieder in Geheimschrift enthalten, schien fast unmöglich. Havet war es schon durch weitläufige Studien gelungen, diese Geheimschrift zu entziffern. Aufmerksame Prüfung der Handschriften hat ihn zu dem Ergebniss geführt, dass die Ordnung der Briefe in den alten Handschriften die richtige sei, und dass dieselben direct vom Concept des Verfassers herstammen. Damit war die Lösung des Räthsels gefunden, und alle Schwierigkeiten, welche frühere Historiker nicht hatten überwinden können, klärten sich von selbst auf. Havet’s Methode war die richtige, ein Russischer Gelehrter, Bubnov, welcher dem Text des Gerbert eine lange Untersuchung gewidmet hatte, kam mittlerweile zu denselben Ergebnissen wie der Französische Forscher[2]. Die Beweisführung war mathematisch genau. Dank Havet hat man also jetzt die Briefe Gerbert’s in ihrer ursprünglichen Reihenfolge; aber der Herausgeber hat den Werth seiner Arbeit noch durch eine lange und ausgezeichnete Einleitung über die Rolle Gerbert’s in Deutschland, Italien und Frankreich und durch sehr gründliche Anmerkungen erheblich gesteigert. Die Einleitung will Gerbert gegen den oft wiederholten Vorwurf der Doppelzüngigkeit und Falschheit rechtfertigen, man wird darin ein treues Bild der mit dem Untergang der Karolinger verknüpften Ereignisse finden. In anspruchsloser Form hat Havet so einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der grossen Umwälzung im 10. Jahrhundert gegeben.

Denselben Scharfsinn und dieselbe kritische Genauigkeit findet man in einer kurzen Bemerkung desselben J. Havet über Rodulfus

  1. Collection de textes pour servir à l’étude et à l’enseignement de l’histoire. Fasc. 6. Paris, Picard. 8 fr. [Vgl. Bibl. ’89, 2817].
  2. Sbornik piçem Gerberta kak istoritscheskii istotschnik. Petersburg. 1888. 8°. [Vgl. Bibliogr. ’89, 2026. ’90, 102.]
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_150.jpg&oldid=- (Version vom 24.10.2022)