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Leidenschaftlichkeit zeugt der von den Inquisitoren erlassene Befehl, alle Häuser, in denen die religiösen Zusammenkünfte der Waldenser stattgefunden hatten, zu zerstören und niemals mehr aufzubauen. Von den Verurtheilten ist in dem in abgekürzter Form erhaltenen Urtheil allein die Waldenserin Anna von Güns (südlich von Oedenburg), Wittwe des gleichfalls irrgläubigen Jacob Beratunsgott von Güns nahmhaft gemacht; sie hatte der Secte zwölf Jahre lang angehört, während ein anderer Verurtheilter sechsundzwanzig Jahre lang sich zu den Waldensern gehalten hatte.

An diesen spärlichen Angaben müssen wir uns für die Kenntniss des Ungarischen Waldenserthums genügen lassen. Dasselbe ganz auszurotten, ist der Inquisition wohl ebensowenig wie in den angrenzenden Deutschen Landschaften gelungen; vielmehr scheint die spätere Verbreitung des Husitismus in Ungarn in erster Linie durch die im Lande bereits vorhandene religiöse Opposition gefördert worden zu sein. Der von 1432–1440 in Ungarn und Siebenbürgen als Inquisitor thätige Minorit Jacobus de Monte Brandono (auch Jacobus Picenus, de Marchia oder Jacobus Antonii genannt), der ungeheure Mengen von Ungarischen Husiten vor sein Gericht zog – in einem einzigen Jahre soll er deren 55 000 bekehrt haben –, betont, dass die von ihm verfolgten Ketzer seit langem in Ungarn heimisch und zu bewaffneten Erhebungen, gleich der Husitischen, bereit gewesen seien; die von ihm aufgeführten Glaubenssätze der Ungarischen Ketzer sind die der extremen Taboriten. Gegen die Husiten in Ungarn und den unteren Donauländern sind dann noch bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts Inquisitoren entsandt worden[1].

Wir kehren im Folgenden zu den Waldensern in Oesterreich zurück, deren Geschichte wir früher bis zum vierten Decennium des 14. Jahrhunderts verfolgt hatten. Von dieser Zeit bis etwa 1360 sind die Geschicke der Secte in Oesterreich

  1. Vgl. „Husitische Propaganda" S. 243; Lea, History of the inquisition II, 542 ff.; Wadding, Annales minorum X, 194 ff.; 225; 231 ff.; 101 ff.; 268 ff. XI, 3 ff.; 37 ff.; 79 ff. Theiner, Monum. Hungar. eccl. II, 218; 223; 228. J. v. Döllinger, Beiträge zur Sectengesch. des Mittelalters II, 705 f. In Siebenbürgen wirkte 1442 der Dominicaner Bartholomäus Lapatius, päpstlicher Legat und Bischof von Cortona als Inquisitor (Benkö, Transsilvania I, 2, 145; vgl. Steill, Ephemerides Dominicano-sacrae I, 2, 139 ff.).
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 367. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_367.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2022)