Seite:De DZfG 1890 03 392.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Gleichheit und Brüderlichkeit forderten, Anschauungen der Waldensischen Secte, deren absolutes Verbot des Tödtens und Schwörens sie in den schärfsten Gegensatz zu den mittelalterlichen Staatseinrichtungen gestellt hatte, in überraschender Weise anklingen. Wunderlich genug, haben daneben auch die revolutionären Scenen aus der ersten Entwicklungsphase des Taboritenthums in den blutigen Bauernaufständen und Gewaltthaten der Oesterreichisch-Böhmischen Waldenser während des 13. und 14. Jahrhunderts ihr Gegenstück.

Es ist bereits auf die bedeutsame Erscheinung aufmerksam gemacht worden, dass die ersten Regungen des radicalen Husitismus, aus dem sich nachmals die Taboritische Partei entwickelte, im südwestlichen Böhmen ihren Mittelpunkt hatten, wo, wie wir mit grösster Wahrscheinlichkeit annehmen durften, die Waldensische Secte seit Generationen eingewurzelt war[1]. „Gerade dort, wo sich alsbald Tabor erheben sollte, haben Laien ohne kirchliche Weihe und Autorisation Predigten gehalten und Beichte gehört, das Sakrament der Taufe mit ungeweihtem Wasser gespendet. Mit Verachtung der Kirchen, »der Höhlen der Räuber«, wurden in Scheunen gottesdienstliche Versammlungen abgehalten, und daselbst die Messe in der einfachsten Art und Weise celebrirt[2].“ Auch Pisek, das uns in den Berichten über die Ketzerverfolgungen des 14. Jahrhunderts wiederholt begegnete, nimmt in der Geschichte des Taboritenthums eine hervorragende Stelle ein: 1419 betheiligt sich die Stadt am Klostersturm und schliesst sich im folgenden Jahre den Taboriten an, denen wir sie noch im Jahre 1452 treu zur Seite stehen finden; zur Zeit der chiliastischen Schwärmerei hat auch Pisek für eine jener heiligen Stätten gegolten, die von dem erwarteten göttlichen Strafgericht verschont bleiben würden[3]. Gleich Pisek war auch das benachbarte Schüttenhofen (Susicz) und das südlicher gelegene Wodnian den Taboriten enge verbündet[4]. Wie sich ferner die Anfänge der radical-husitischen Bewegung an das nachmals in Tabor aufgegangene Austi und

  1. Goll II, 40; Preger a. a. O. S. 8.
  2. Goll a. a. O.
  3. Goll II, 58 (Schreiben des Jacobellus von Mies gegen Mag. Johannes Jičin); Höfler, Geschichtschr. der Husit. Bewegung I, 37. 80; Palacky, Gesch. v. Böhmen IV, 1, 306 f.
  4. Vgl. z. B. Höfler I, 94.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 392. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_392.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2022)