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verbindet also unser Berichterstatter einzelne richtige Momente mit einer Grundauffassung, welche falsch ist. Dasselbe ist der Fall bei seiner Darlegung des finanziellen Systems des Feldherrn, wenn er denselben die Kosten der Armee lediglich den Reichsständen und ihren Unterthanen zuschieben lässt. Allerdings rechnete ja die kaiserliche Regierung wie der General auf die Contributionen des Reichs, allerdings wollte Wallenstein besonders zum Zeitpunkt eines Friedenschlusses die Armee im Reich haben, damit die Bezahlung ihrer Rückstände als Friedensartikel aufgestellt und unter dem Druck der Einlagerung erzwungen werden könne[1]. Aber falsch ist es, wie bereits genügend dargethan ist, dass Wallenstein den Kaiser und seine Erblande von der Pflicht, die Armee zu unterhalten, grundsätzlich und vollständig entbinden wollte. Er hat im Gegentheil auf eine wenigstens partielle Erfüllung dieser Pflicht sehr streng gehalten.

Das Ergebniss der ganzen Untersuchung ist: für die Erkenntniss der Vorgänge, um die es sich handelt, ist unser Bericht durchaus werthlos. Aber als ein Glied in der geschichtlichen Entwicklung selber besitzt er eine tief eingreifende Bedeutung. Er traf in eine Zeit, wo innerhalb der Liga Zorn und Argwohn gegen Wallenstein emporstieg, und seine Angaben waren gerade geeignet, jeden Vorwurf als berechtigt, den schlimmsten Verdacht als zutreffend erscheinen zu lassen. Die Ligisten klagten seit Monaten über Wallenstein’s matte Kriegführung: in dem Bericht konnten sie lesen, dass der Feldherr grundsätzlich nicht angreifen wolle. Die Ligisten drangen mit wachsender Ungeduld auf Abrechnung mit den Protestanten über die seit 70 Jahren vollzogenen Ueberschreitungen des Religionsfriedens: der Bericht erklärte die Zögerung aus dem Uebergewicht der Ketzer in Wallenstein’s Armee, aus seinem Rath, jede Herausforderung der Protestanten zu vermeiden. Die katholischen Verbündeten, im Vollgefühl der bisherigen Abhängigkeit des Kaisers von ihnen, erwarteten Befriedigung ihrer Interessen, unter denen die reichsständische Freiheit herkömmlich in erster Linie stand: aus dem Bericht konnten sie ersehen, wie Wallenstein die Reichsstände, feindliche wie freundliche, zu entkräften

  1. Siehe oben S. 23. Tadra Nr. 86 S. 397.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_04_035.jpg&oldid=- (Version vom 4.12.2022)