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abzweigenden Arm, dem Fluss von Tanis bildete, des Rückzuges beraubt durch die Ueberschwemmungen, welche die Sarazenen dadurch herbeiführten, dass sie die Dämme der zahlreichen Flussarme und Canäle durchstachen, sahen sich die Kreuzfahrer genöthigt, mit den Feinden zu unterhandeln. Die Grossmuth des Sultans von Aegypten, Al-Kamil, verschaffte ihnen einen überaus günstigen Frieden. Die Christen erlangten freien und ungehinderten Abzug für sich und ihre Habe, übergaben Damiette und die anderen Aegyptischen Städte wieder den Sarazenen und wechselten ihre Gefangenen gegen die der Feinde aus (August 30). Am 8. September hielten die Sarazenen ihren Einzug in Damiette.

Die Kunde von diesem unglücklichen Ereigniss durchlief mit Blitzesschnelle Europa. Ueberall hallte der Schrei der Entrüstung über das selbstverschuldete Unheil der Christen wieder. Honorius, der fortwährend, solange das Heer in Aegypten war, die Aufforderungen zur Theilnahme am Kreuzzuge erneuert und besonders den jungen Kaiser Friedrich ermahnt hatte, sein Gelübde endlich zu erfüllen, war von der Kunde tief erschüttert. Was eintreten würde, sah er voraus: dass die Nachricht von dem tragischen Ausgange des Kreuzzuges nach Damiette einen bedeutenden Rückschlag auf die Entschliessungen der Geistlichen und Laien ausüben werde. Bereits als der Tod des Innocenz bekannt wurde, hatte sich eine grosse Lauheit aller Stände bemächtigt, und mancher, der das Kreuz schon genommen hatte, verschob die Erfüllung seines Gelübdes auf eine spätere Zeit. Der Eifer des Honorius stand zwar dem seines Vorgängers nicht nach, aber ihm selbst fehlte doch die alles wollende und auch alles vermögende Energie eines Innocenz. Die Angelegenheiten mit Friedrich in Italien banden ihm weit mehr die Hände, als dies das Doppelkönigthum des Philipp und Otto bei Innocenz vermocht hatte. Sobald die Zügel der Regierung, die Innocenz so straff angezogen hatte, etwas gelockert wurden, zeigte sich Erschlaffung oder Gleichgültigkeit. Schon bald nach dem Tode des Innocenz wurde trotz vielfacher Ermahnungen von den Geistlichen nicht der Zwanzigste entrichtet, wie es das Lateranconcil vorgeschrieben hatte, denn es ging das Gerücht, dass die Gelder nicht zum Zwecke des Kreuzzuges verwendet würden[1]. Jetzt trat

  1. Vgl. Wilken, Gesch. der Kreuzzüge VI, S. 122 ff.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_04_055.jpg&oldid=- (Version vom 18.9.2022)