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wir ja auch auf dem Lande“. Diese Aeusserung ist denn doch selbst für eine Doctordissertation[1] etwas stark. Allerdings finden wir auch auf dem Lande eine communale Entwicklung, aber eine ganz andere! Auf dem Lande beugen die Grundherren die Gemeinden unter ihre Gewalt; die Stadtgemeinden machen sich davon frei. Unter den herrlichsten Thaten der Deutschen Städte ist eine der ersten gerade die Herstellung der Gemeindefreiheit. Was will dem gegenüber der Erwerb staatlicher Rechte besagen[2]! Wenn Köhne die Wichtigkeit der communalen Entwickelung der Städte so vollkommen übersieht, so fällt es nicht auf, dass seine Ausführungen über Gemeindewesen überhaupt sehr dürftig sind. Ueber die Natur der Stadtgemeinde, über den Ursprung der Gemeindegewalt u. s. w. bietet Köhne nichts Brauchbares[3]. Andererseits zeigt Köhne eine anerkennenswerthe Belesenheit, wie man sie bei dem Verfasser einer Doctordissertation nicht oft trifft, und bringt im Einzelnen manche richtige Beobachtung. Zu tadeln ist aber wiederum die Breite der Darstellung. 428 Seiten über die Entstehung der Verfassung dreier Städte, die durchaus nicht über einen hervorragenden Quellenschatz verfügen, zu schreiben und dabei wichtige Dinge fast unerörtert zu lassen, das ist doch wohl zu viel. Sohm[4] erwähnt es anerkennend, dass Köhne auf die Bedeutung des Kaufmannsstandes für die städtische Entwicklung hingewiesen habe. Allein es muss doch gesagt werden, dass ihm die Anschauungen von der Wirkung des Marktrechtes, welche Schulte[5] und Sohm vorgetragen haben, fremd sind. Wirklich Originales enthält Köhne’s Arbeit nach keiner Richtung hin[6].

  1. Dass K.’s Arbeit eine erweiterte Doctor-Dissertation ist, ersehe ich aus der Bibliogr. dieser Zeitschrift Bd. III S. 7.
  2. Ich führe noch an, dass K. S. 366 es als „die grundlegende Frage“ bezeichnet, „ob es zur Zeit der Entstehung der ersten Deutschen Stadtverfassungen auch schon besondere städtische Gerichtsbarkeit gegeben“. Man ersieht aus dieser Aeusserung nur, dass K. sich auf Fragestellung nicht versteht.
  3. K. tadelt mich sehr, dass ich einen Zusammenhang zwischen Stadt- und Landgemeinde annehme. Er selbst erklärt jedoch die Specialgemeinden für alte Markgenossenschaften. Eine Gesammtgemeinde aber kann sich nur bilden, indem sie Competenzen der Specialgemeinden, also der Markgenossenschaften an sich zieht (vgl. meine „Stadtgemeinde“ 38 ff. und diese Ztschr. I, 446). Und wie urtheilt K., wenn eine Stadt nicht aus einer Mehrzahl von Specialgemeinden, sondern aus einer einzigen Gemeinde hervorgeht?
  4. Sohm a. a. O. S. 16.
  5. Schulte a. a. O. S. 137 ff.
  6. Einzelheiten will ich nicht moniren. Wenn ich freilich der Polemik einen so breiten Raum wie K. gewähren wollte, so würde ich etwa eine
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_04_119.jpg&oldid=- (Version vom 18.10.2022)