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jener Sammlung die betreffende Correspondenz vollständiger vorgelegen habe als nachher Rousset, widerlegt der reiche Bestand, über den dieser im Vergleich mit jenem offenbar verfügt hat. Das führt nothgedrungen zu der Vermuthung, Rousset habe gegenüber dem Material einen Eklekticismus walten lassen, der nicht bloss nach den in der Sache selbst begründeten historischen Gesichtspunkten verfuhr, sondern von anderen Rücksichten bestimmt wurde, und zwar insbesondere dem Streben, das Andenken Louvois’ möglichst rein zu waschen.

Vermuthlich aber handelt es sich nicht darum allein, insofern als eine gleichmässige und rückhaltlose Benutzung der Acten des Französischen Kriegsministeriums von der Verwüstung der Pfalz ein noch furchtbareres Bild gegeben haben würde, als die geschichtliche Ueberlieferung uns bisher geboten hat. Denn was uns bei Rousset und in jener Sammlung an militärischen Briefen vorliegt, ist im Wesentlichen nur eine private, nicht eine eigentlich dienstliche Correspondenz, eine Auswahl aus den Schreiben, welche der rastlos thätige Louvois neben den auf königlichen Befehl ausgefertigten Instructionen an die Generale als mehr persönliche Anweisungen in ungezählter Menge von sich ausgehen liess, um jene zu erläutern, ihre Ausführung zu beschleunigen und ihren Erfolg zu sichern. Unvertreten sind an beiden Stellen die eigentlich amtlichen Erlasse, die vom König selbst unterschrieben, von Louvois gegengezeichnet zu sein pflegten, wie sie unter den verwandten Archivalien, z. B. den auf die Expedition nach Irland, die Kämpfe in den Niederlanden und in Savoyen bezüglichen, sich in Menge finden und in die oberste Leitung des gesammten Kriegswesens erst einen vollen Einblick eröffnen. Sollte nun über den Feldzug im südwestlichen Deutschland, mit dem der Krieg 1688 für Frankreich so vielverheissend begann, und über die furchtbare Action am Rhein, die militärisch und politisch für den Fortgang des Kampfes gleich wichtig wurde und die noch Voltaire ausdrücklich auf einen von Louvois gegengezeichneten Befehl Ludwig’s XIV. zurückführt[1], wirklich nichts Derartiges vorhanden sein oder gar niemals vorhanden gewesen sein? Das ist doch

  1. Vgl. auch Duras’ Schreiben an Louvois d. 28. Mai 1689, betreffend die von ihm noch aufgeschobene Verbrennung von Speier, Worms und Oppenheim – pour exécuter donc les derniers ordres du Roi. Lettres milit. VI S. 24–26.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_04_246.jpg&oldid=- (Version vom 16.12.2022)