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Man vergegenwärtige sich die militärische Lage im Herbste 1688.

Gleichzeitig mit dem Angriff auf Philippsburg, das ihr Hauptheer einschloss, hatten die Franzosen unter Boufflers die Pfalz occupirt, die meisten festen Plätze ohne nennenswerthen Widerstand eingenommen und sich schnell ausbreitend die linksrheinischen Länder bis über Mainz hinaus in ihre Gewalt gebracht. Auf dem rechten Ufer hatten sie sich der Schwarzwaldpässe bei Gengenbach bemächtigt und von da aus Heilbronn besetzt; in kleinen Abtheilungen streiften sie bis tief in das Schwäbische und Fränkische, indem sie überall unter Sengen und Brennen ihres Königs leere Kassen durch ungeheure Contributionen zu füllen trachteten[1]. Neben diesem finanziellen Zwecke verfolgte Louvois aber von vornherein noch einen anderen. Durch die verwirrende Schnelligkeit, mit der die Französischen Heere bis in das Herz von Süddeutschland eindrangen, sollte bei den überraschten Deutschen der Eindruck erzeugt werden, als seien sie von einer erdrückenden Uebermacht überfluthet, gegen die jeder Widerstand aussichtslos wäre, so dass man eilen müsste, durch schnelle Annahme der von Frankreich gebotenen Bedingungen den Frieden zu erkaufen und so weiteres Unheil abzuwenden. Weithin lähmenden Schrecken zu verbreiten, von der kaum begonnenen Ergreifung der Waffen abzuhalten, alles zu blinder Unterwerfung einzuschüchtern war das nächste Ziel der Französischen Kriegsführung: dieselbe trug einen ausgesprochen terroristischen Charakter. Vielleicht liess sich auf diese Weise gut machen, was man an anderen Punkten verloren hatte. Denn am Niederrhein waren die Truppen Ludwig’s XIV., obgleich die Kölner Sache lange genug schwebte, schliesslich doch zu spät gekommen und hatten die wichtigsten Positionen in den Händen der Gegner lassen müssen. Der Trierer Kurfürst hielt wider Erwarten treu zum Reich: Coblenz blieb in der Gewalt der Deutschen und die Abtheilungen, die auf dem rechten Ufer bis in die Gegend von Frankfurt streiften, mussten vor den von dem Magdeburger Bunde aufgebotenen Truppen zurückweichen.

  1. Den 6. December 1688 schreibt Louvois an d’Huxelles, der König befehle de pousser la contribution le plus qu’il sera possible, que de petits partis et des brûlements font venir tout comme si l’on marchoit avec de gros corps. Lettr. milit. V S. 175.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_04_250.jpg&oldid=- (Version vom 16.12.2022)