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Besatzung und die Bürgerschaft, denen man zwei Tage Bedenkzeit gab, einzuschüchtern, erklärte ihnen der Französische Oberbefehlshaber, wenn sie ihrerseits feuern und die Eröffnung der Laufgräben abwarten würden, so werde ihre Stadt nach der Einnahme geplündert und niedergebrannt werden[1] Doch machte das nicht den gewünschten Eindruck. Am Abend des 5. November mussten die Laufgräben eröffnet werden und wurden während der nächsten Nacht von den Vertheidigern heftig beschossen. Von diesen unbemerkt näherte der Französische Angriff sich aber gleichzeitig von einer anderen Seite her der Citadelle. Bald hatten die Franzosen die Stadt an mehreren Stellen in Brand geschossen, 400 Häuser brannten im Ganzen nieder. Einen Ausfall, den Vauban erwartete, konnte der Befehlshaber bei der augenscheinlichen Unzuverlässigkeit seiner Leute schon nicht mehr wagen[2]. Auch die Bürgerschaft verlor den Muth: am 10. November verlangte sie zu capituliren; drei der angesehensten Bürger erschienen im Lager vor dem Dauphin und übergaben ihm die Stadt auf Gnade und Ungnade[3]. Die Citadelle widerstand noch, obgleich man dem Commandanten Französischerseits kund that, man würde ihm weder Capitulation noch Quartier bewilligen, wenn er bei der Vertheidigung die Stadt zu beschiessen wagte[4]. Das scheint den ohnehin schon aufsätzigen Pfälzer Soldaten die Lust zum Kampfe schnell vollends benommen zu haben: in offener Meuterei erhoben sie sich in einem durch den Französischen Angriff zunächst bedrohten Werke, und am 12. November capitulirte die Citadelle[5]. Eilboten brachten die Meldung davon nach Versailles. Nun war der Zeitpunkt da, wo Mannheims Schicksal sich entscheiden musste, das nach Chamlay’s früherem Vorschlage in sofortiger und vollständiger Schleifung der Befestigungen bestehen sollte, während Louvois die Niederbrennung der Stadt in Aussicht genommen hatte. Aeusserungen des ersteren über das, was seiner Meinung nach nun zu geschehen hätte, liegen aus jenen Tagen nicht vor; was Louvois wollte, geht aus seinem damaligen Schreiben mit erschreckender Klarheit hervor. Diese zeigen aber ausserdem, dass der Minister

  1. S. 132, s. Theatr. Europ. XIII S. 323–25.
  2. S. 144.
  3. S. 146.
  4. S. 147.
  5. S. 152.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_04_261.jpg&oldid=- (Version vom 16.12.2022)