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das Recht zwar vielfach aus dem Kampfe hervorgegangen sei, dass aber als sein Ziel zu bezeichnen sei der „Friede“; eine „friedliche geordnete Gemeinschaft“, wie Hugo Grotius sich ausdrückt. In dem Sinne spricht man gegenwärtig allgemein von einem „Friedens- und Rechtszustand in Deutschland“. Hierher gehören auch in gewissem Sinne die „strafbaren Handlungen gegen den öffentlichen Frieden“, eine Bezeichnung, die sich in den modernen Strafrechtssystemen anknüpfend an frühere Verhältnisse erhalten hat[1].

Im völkerrechtlichen Leben dagegen hat das Wort „Friede“ seine ursprüngliche besondere Bedeutung beibehalten. Während man auf Grund der allgemeinen Bedeutung des Wortes Friede im modernen Sprachgebrauch von einem „Frieden in Deutschland“ sprechen kann, und darunter einen allgemeinen rechtlich geschützten Zustand der Ruhe und Ordnung versteht, muss man hier von einem „Friedenszustand zwischen Deutschland und Frankreich“ sprechen, als dessen letzter Stützpunkt doch immer noch die thatsächliche Macht erscheint.

Dies ist die Entwicklung des Begriffs Friede überhaupt und seine Abgrenzung gegenüber dem Begriff Recht. In dieser Abhandlung haben wir uns nur mit der ursprünglichen und engeren und besonderen Bedeutung des Wortes Friede zu befassen: „Friede ist die Negation der Fehde“. Hierher gehören die technischen Begriffe pax, pacare, pacisci, pacificare, vridebuoch, vridebrief, vridelôs, vride bannen, vride swern, vride brechen, befrieden, Friedenssatzung, Gottesfriede, Landfriede, Friedensgebot, Friedensbruch und andere. Diese Bedeutung liegt zunächst den mittelalterlichen Rechtsquellen zu Grunde, mit denen wir uns zu beschäftigen haben.

Wie bei dieser ursprünglichen Bedeutung des Wortes Friede ein Unterschied zu machen ist zwischen Friedensordnung und Rechtsordnung, vridebuoch und rëhtbuoch, Friedenszustand und Rechtszustand, friedlos und rechtlos, vridelôs und rëhtelôs, so ist auch zu unterscheiden zwischen „Friedensbruch" und „Rechtsbruch“.

  1. Das Nähere über diese Entwicklung findet sich bei Wilda in Weiske’s Rechtslexikon unter „Landfriedensbruch“, eine Bezeichnung, die zwar nicht mehr in der ursprünglichen, sondern in ganz bestimmter eingeschränkter Bedeutung heute noch für § 125 R.-St.-G.-B. in Anwendung ist.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_014.jpg&oldid=- (Version vom 20.12.2022)