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den alten Normannischen Beamtennamen auf den judex übergegangen ist, umsomehr da der neue Normannische vicecomes die feudalen Gewohnheiten seiner Französischen Heimath abgelegt hat, und nur ein Jahr im Amt bleibt, wie ein Byzantinischer Beamter[1].

Aber hier ergibt sich eine neue Schwierigkeit. Gleichbedeutend mit vicecomes scheint der Titel turmarcha gebraucht zu werden[2]. Der Turmarcha ist der dem Byzantinischen Strategen unterstellte militärische Befehlshaber[3]; wie kommt der Normannische Richter dazu, den Namen eines Griechischen Officiers anzunehmen?

Wir müssen einen Schritt in die Geschichte der Byzantinischen Provinzialverfassung zurückthun, um diese eigenthümliche Erscheinung zu erklären. Justinian hatte, wie wir wissen, in Italien ebenso, wie in Sicilien und Afrika die Militärgewalt von der Civilgewalt getrennt, dem Exarchen von Ravenna

  1. So ist z. B. in Oletta im J. 1129 Ursus Vicegraf (Trinchera p. 137. p. 138); im folgenden Jahre Johannes filius Boni (Trinchera p. 143): im J. 1160 Johannes Gitzi (Trinchera p. 212); im J. 1161 Satrianus Proximus (Trinchera p. 213); a. 1164 Petrus Gitzi (Trinchera p. 214), der das Amt im J. 1169 (p. 228) wieder bekleidete.
  2. Wenn der Normannische Fürst einen Privilegirten in seinem Rechte schützen will, so ergeht sein Befehl entweder an die Strategen und Turmarchen (z. B. Trinchera p. 66, p. 69, p. 115), oder an die Strategen und Vicegrafen (z. B. Trinchera p. 73, p. 137, p. 138, p. 195, p. 212 ff., p. 369; Pirro, Sicilia Sacra II p. 1022, p. 1028) oder an die Strategen, Vicegrafen und Turmarchen (z. B. Trinchera p. 74, p. 78, p. 81). In Sicilien, dessen Verfassung sonst mit der Apulischen übereinstimmt, kann ich nur einmal einen Turmarcha nachweisen: Cusa p. 643 a. 1099. Sehr häufig dagegen judex und Vicegraf. In Unteritalien kommt der Turmarcha in den frühesten Normannischen Urkunden vor: Urk. Robert Guiscard’s a. 1080 (Gattula, Accessiones ad hist. abb. Cassin. p. 183: turmarchis seu vicecomitibus); gleichzeitig in einer Privaturkunde in Gravina, Monum. Neapol. V, 377; a. 1086 in einer Urkunde der Herzogin Sikelgaita, Gattula l. c. p. 193; a. 1087 in einer Urkunde Boemund’s von Tarent, Trinchera p. 66. Ferner in Urkunden Herzog Roger’s Trinchera p. 69; Mon. Neap. V p. 138, p. 143; Graf Roger’s Trinchera p. 74, p. 78; ferner Trinchera p. 81, 115 etc.
  3. Vgl. z. B. Constantin. Porphyr., De themat. I p. 17; De administr. imp. p. 201, p. 209. Das θέμα (= στρατηγίς) war in militärische Bezirke, die man τοῦρμαι nannte, getheilt, De admin. imp. c. 50, p. 224 ff: Ἰστέον ὅτι ἡ τοῦ Χαριστάνου στρατηγὶς τοῦρμα ἦν τὸ παλαῖον τῆς τῶν Ἀρμενιακῶν στρατηγίδος. Vgl. auch Theophanes contin. p. 125.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_042.jpg&oldid=- (Version vom 14.10.2022)