Seite:De DZfG 1891 05 064.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Als Friedrich I. die Reichsrechte in Genua geltend zu machen versuchte, wurde ihm von den Genuesen erwidert[1], dass sie diese Rechte nicht anerkennen wollten, da sie vom Reich kein Stück Land in Besitz hätten, von dem sie leben könnten, sie müssten ihren Bedarf von weither herbeischaffen und selbständig gegen die räuberischen Barbaren vertheidigen; das Reich gebe ihnen nichts dazu, im Gegentheil, es wäre ihnen Dank dafür schuldig, dass auf der ganzen Küste zwischen Rom und Barcelona jeder friedlich und sicher unter seinem Feigenbaum und Weinstock ruhen könne[2].

Wir sehen, die Städte Italiens hatten eine neue Heimath gefunden, das Reich war nicht mehr der Boden, in dem sie wurzelten; ihren Erwerb und ihre Sicherheit dankten sie den Handels- und Kriegsfahrten ihrer Kaufleute. Der neuen Interessen hatten sich die alten Mächte, Grafschaft, Bisthum und Reich, deren Autorität wesentlich auf agrarer Grundlage beruhte, nicht zu bemächtigen verstanden; überall wurden Fehden geführt zur Ausbreitung und zum Schutze des Handels und der aufblühenden Industrie, Handelsbündnisse wurden geschlossen und gelöst[3]: aus neuem Hass und neuer Liebe war ein junges Staatswesen erwachsen.

Anders war die Entwicklung in Süditalien vor sich gegangen.

    Als Souverän werden wir in den verschiedenen Ländern und Zeiten denjenigen betrachten, welcher die grössere Summe der Regierungsgewalt in sich vereinigt. Die Städte und Fürsten des späteren Mittelalters waren jedenfalls thatsächlich in höherem Grade souverän als die jetzigen Deutschen Bundesfürsten.

  1. Cafaro, M. G. SS. XVIII p. 26.
  2. Einen Ausdruck für den erwachenden Municipalpatriotismus finde ich Liber jur. Genuensium I p. 220: Posthabita etiam fide, qua naturali jure patriae fuerant obligati. – Das Bürgerrecht ruhte auf der Gemeinschaft in der Kirche und auf dem Schiffe, vgl. Bonaini, Statuti inediti p. 18; dem Friedensbrecher wird die Gemeinschaft in ecclesia et navi versagt. Vgl. auch die Urkunde Liber jur. I p. 190, in welcher die Consuln von Genua einem Placentiner, welcher eine edle, aber arme Genueserin geheirathet hat, facultatem et potestatem mittendi laboratum per mare, quocumque voluerit, libras centum quinquaginta singulis annis, also gleichsam ein beschränktes Bürgerrecht ertheilen. – Ueber den Municipalpatriotismus vgl. Ficker II p. 268.
  3. Wüstenfeld in dem Briefe bei Galantino, Storia di Soncino II p. 492, meint, das Bedürfniss guter Feldherren in inneren und äusseren Kriegen habe zur Einrichtung des Consulats geführt, vgl. oben p. 62 Note 1.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_064.jpg&oldid=- (Version vom 15.10.2022)