Seite:De DZfG 1891 05 189.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

präcise Darstellung aus und bietet jungen Historikern, zumal solchen, welche sich nicht speciell mit dem Rechtsstudium befasst haben, alle nur wünschenswerthen Aufschlüsse über die Quellen, die Glossatoren und die Commentatoren des Römischen Rechts. Es ist sehr zu bedauern, dass der Tod den Verfasser hinwegraffte und uns so des 3. Bandes beraubte, welcher die Quellen des Französischen Gewohnheitsrechts behandeln sollte, ein Gebiet, auf welchem Tardif eine staunenswerthe Kenntniss besass. – Allerdings wird in einem gewissen Masse das Werk P. Viollet’s[1] diesen 3. Teil von Tardif’s Handbuche ersetzen können. In einem früheren, sehr beifällig aufgenommenen Bande hatte der gelehrte Rechtshistoriker das Privatrecht behandelt; jetzt beschäftigt er sich mit dem Staatsrecht, und der 1. Band erstreckt sich bis an das Ende der Fränkischen Zeit, d. h. bis an das Ende des 9. Jahrhunderts. Der Verfasser beherrscht die Literatur seines Gegenstandes: er hat eine gewaltige Anzahl von Werken gelesen und die Quellen selbst studirt. Auch dieses Werk ist in jeder Hinsicht empfehlenswerth. Man wird wohl über viele Einzelheiten anderer Ansicht als Viollet sein, gewisse von ihm entwickelte allgemeine Ideen verwerfen, z. B. seine Bewunderung für den durch den Untergang des Römischen Reiches geschaffenen Zustand übertrieben finden können, aber selbst die, welche den einen oder den anderen von diesen Punkten für anfechtbar erklären, werden an dem Autor die Lauterkeit der Gesinnung und sein Wissen bewundern müssen und werden seine Auseinandersetzungen mit Nutzen lesen. Nur wenige Bücher sind gleich anregend und nutzbringend; man kann dasjenige Viollet’s Anfängern empfehlen, sie werden darin viel Richtiges und eine unparteiische Darstellung finden.

Dagegen wird man derselben Classe von Lesern nicht die Werke Fustel’s de Coulanges empfehlen können. Ein merkwürdiger Schriftsteller! Man hat ihn ohne allzu grosse Uebertreibung mit Montesquieu verglichen, und er kam sicherlich Guizot gleich; aber er besass eine solche rein persönliche Arbeitsmethode, eine solche wenigstens scheinbare Geringschätzung vor ihm erschienener Arbeiten, eine solche Scheu vor den durch andere Gelehrte entdeckten Wahrheiten, dass von seinem Geschichtswerk mehr Negatives als Positives übrig bleiben wird. Er hat gewiss seine Verdienste, besonders dadurch, dass er die schwachen Seiten der von ihm bekämpften Theorien aufzeigte, aber er hat mehr vernichtet als aufgerichtet. Jedoch zeichnen sich die beiden nach Fustel’s Tode von pietätvollen Schülern veröffentlichten Bände[2] in dieser Hinsicht vor den vorhergehenden aus. Zwar verliert

  1. Vgl. Bibliogr. ’90, 824.
  2. Vgl. Bibliogr. ’90, 77 u. 2786.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_189.jpg&oldid=- (Version vom 21.12.2022)