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Ursprungs der Gallischen Kirchen hartnäckig vertheidigten Legenden definitiv das Urtheil gesprochen zu haben. Soweit es sich historisch wahrscheinlich machen lässt, ist der westliche Theil des alten Lyonnais erst ziemlich spät christianisirt worden. Der hl. Gatian, der erste Bischof von Tours, scheint zu Constantin’s Zeiten gelebt zu haben; der hl. Martin, welcher 397 starb, fand das Heidenthum in diesem Theile des Kaiserreiches noch in Blüthe, und wenn es in Armorica auch schon früh Christen gab, so sind doch Bischöfe dort erst ziemlich spät eingesetzt worden: in Rennes und Vannes im 5., in Alet, Dol etc. im 8. und 9. Jahrhundert. Man darf hoffen, dass der gelehrte Akademiker derselben kritischen Prüfung auch die Bischofslisten der anderen Gallischen Diöcesen wird unterziehen können, z. B. die von Sens und Reims. – Die Schriften des hl. Avitus sind erst kürzlich in den Monum. Germ. von Neuem herausgegeben worden; die neue Ausgabe der Homilien, Gedichte und Briefe dieses Bischofs von Vienne, welche der Abbé Ul. Chevalier soeben erscheinen liess, wird der Französischen Forschung zu gute kommen[1]. Die Feststellung des Textes ist mit peinlicher Sorgfalt erfolgt, die geschichtlichen Erläuterungen sind zahlreich und die Einleitung ist sehr instructiv; auch für die Geschichte des Königreichs Burgund wird man gut thun, die Daten, welche der neue Herausgeber für die Briefe des hl. Avitus gibt, zu beachten.

Die Merowingische Zeit ist der Gegenstand einer Anzahl werthvoller Arbeiten geworden. Die Schrift von Max Bonnet über die Sprache Gregor’s von Tours[2] ist die wichtigste unter denjenigen, deren Gegenstand das Werk dieses Vaters der Französischen Geschichtsschreibung seit einigen Jahren gewesen ist. Vom rein philologischen Standpunkte aus beleuchtet Bonnet von Neuem die Geschichte des Vulgärlateins in Gallien im 6. Jahrhundert; er gibt eine Fülle feiner und treffender Bemerkungen, deren Werth ein bleibender sein wird und welche ebenso wohl den Historiker wie den Sprachforscher interessiren. – Die Abhandlung von G. Kurth über die Gesta regum Francorum[3] ist nicht von derselben Bedeutung, aber sie bietet einige neue und, wie es scheint, sichere Facten; der Verfasser hat, wohl schärfer als seine Vorgänger, die der epischen Ueberlieferung entlehnten Theile des Werkes von denjenigen geschieden, welche jüngere volksthümliche Ueberlieferung enthalten.

Die Reihe der „Questions mérovingiennes“ von J. Havet ist 1890 um zwei neue Abhandlungen bereichert worden. Die erste

  1. Vgl. Bibliogr. ’91, 187.
  2. Vgl. Bibliogr. ’90, 2754.
  3. Vgl. Bibliogr. ’90, 46.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_193.jpg&oldid=- (Version vom 21.12.2022)