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Schwelle des Werkes von Canestrini sofort auf die Behauptung von dem Fortwirken und Wiederaufleben der hier im Herzen Italiens niemals erloschenen Römischen Tradition, wenn er das auch weniger direct behauptet als manche Andere, welche das Fortleben der Römischen Municipalverfassung mit den scholae und collegia u. s. w. in Florenz fast als selbstverständlich ansehen. Denn er sagt nur: sembra ch’ abbia voluto rinnovare [in Florenz] la forma e la base dell’ antico censo romano con quelle istituzioni che chiamò allibrazione lira o estimo[1]. Aber auch dieser Schein ist trügerisch. Ohne in Abrede stellen zu wollen, dass sich in einzelnen Gegenden Italiens das Römisch-Byzantinische Steuersystem bis ins Mittelalter hinein erhalten hat, ist so viel sicher, dass es in Florenz nicht fortgelebt hat. In einer Stadt, welche, wie jetzt auch Ausgrabungen unwiderleglich bewiesen zu haben scheinen, an zwei Jahrhunderte in Trümmer gelegen haben muss und nur sehr schwach bevölkert gewesen sein kann[2], können sich unter der Herrschaft der Langobarden unmöglich Römische Traditionen lebendig oder gar in praktischer Uebung erhalten haben. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, dass auch hier die ältesten städtischen Steuern als Abgaben entstanden sind, die an die Markgrafen und dann an das Reich zu entrichten waren. Wir besitzen allerdings keine dieses beweisende Urkunde. Aber warum sollte es hier anders gewesen sein als z. B. in Lucca, wo 1160 die markgräflichen Rechte und 1162 die Regalien gegen eine jährliche Geldzahlung abgelöst wurden[3]. Dass es

  1. Canestrini, La scienza e l’arte di Stato I S. 15, die Nachahmung setzt doch Kenntniss voraus, die man dann schwerlich aus Büchern schöpfen konnte.
  2. Es finden sich, wie neueste Ausgrabungen im Centrum der Römischen Stadt erweisen, über Römischen Mauerresten Ablagerungen des Arno, welche nur sehr allmählig entstanden sein können. Von der Geschichte von Florenz von 558 bis tief in das 8. Jahrhundert hinein weiss man auch gar nichts. Auch auf Florenz passt das Wort des Agnellus vollkommen: „A Basilii namque tempore consulatum agentis (541) usque ad Narsetam patricium provinciales Romani ubique ad nihilum redacti sunt“ (Liber Pontificalis etc. in den Mon. Germaniae SS. rer. Langob. S. 338), und das andre: „Narses gessit multas victorias in Italia cum denutatione omnium Romanorum Italiae“. Das Wiederaufleben der Italienischen Race im 12. und 13. Jahrhundert geht von den unteren Volksschichten aus. Dante klagt genug über die zugezogenen Bauern.
  3. Memorie di Lucca I, 174 u. 186.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_246.jpg&oldid=- (Version vom 6.11.2022)