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Gerichtsstand gehabt. Das war aber im Laufe der Zeiten anders geworden. Die Geistlichkeit suchte ihren Gerichtsstand überall auszudehnen: die Laien in Sachen, welche früher den geistlichen Gerichten nicht unterstellt gewesen waren, sich zu unterwerfen, sich selbst aber von den weltlichen Gerichten immer mehr zu emancipiren. Die Heranziehung der Geistlichkeit zu den Staatsabgaben wurde auch der Gegenstand von Streitigkeiten[1]. Brachen diese nun irgendwo zwischen der Comune und der Klerisei aus, so pflegte diese mit ihren geistlichen Waffen sofort gegen die Vertreter der Rechte der Comunen vorzugehen und sie mit ihren Censuren zu belegen, nöthigenfalls diese über die ganze Comune zu verhängen, worauf diese dann mit der Erklärung der Friedlosigkeit über die Geistlichkeit zu antworten pflegte. Bis zu welchem Grade nicht selten die Gereiztheit zwischen der Bürgerschaft und der Geistlichkeit in dieser Zeit anwuchs, beweist der bekannte Beschluss des Rathes von Padua, der auf die Ermordung eines Klerikers die Strafe von 32 Denaren festsetzte, worauf eine Menge Geistlicher erschlagen wurden[2].

In der That waren die Zustände, welche sich aus dem Zusammenwohnen von zwei Classen von Bürgern ergaben, die ganz verschiedenen Gesetzen unterstanden und von verschiedenen Personen ihr Recht empfingen, selbst in dem Falle ganz ausserordentlich schwierige, wenn von beiden Seiten die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen ganz legal innegehalten und angewendet wurden. Wie aber jedes Privilegium Auswüchse erzeugt, die es dem von ihm nicht Geschützten noch verhasster machen müssen, so war auch in den mittelalterlichen Städten durch die Vorrechte, die die Kleriker genossen, ein Unfug eingerissen, der

  1. Ueber manche dieser Dinge sind wir wegen des Fehlens älterer Statuten nicht sicher unterrichtet. In Bologna waren die Geistlichen von ihrem Privatvermögen in der Mitte des 13. Jahrhunderts besteuert. Statuti del populo di Bologna pubbl. p. c. di A. Gaudenzi S. 10. Das Anwachsen des privilegium fori seit der Zeit Alexander’s III. kann man am besten verfolgen, wenn man die Statuten einer Stadt, z. B. die Pistojas, aus dem 12. Jahrhundert mit dem aus dem Ende des 13. vergleicht. In Bologna wurden die Geistlichen, welche sich an einem Popolano vergriffen und dem Podestà der Stadt nicht zu Recht stehen wollen, für friedlos erklärt, durch die Statuten von 1282. Statuti del popolo di Bologna p. p. c. di A. Gaudenzi S. 24.
  2. Pertile, Storia del diritto Ital. III, 140.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_268.jpg&oldid=- (Version vom 7.11.2022)