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Reichsrath Graf Löwenhjelm, eingestehen, dass er mit seinem Vorschlage, den Hof bei den bevorstehenden Reichstagswahlen[WS 1] zu strenger Neutralität zu veranlassen, bei Ulrike nur wenig Anklang gefunden und sogar wahrgenommen habe, dass dieselbe mehr denn je zuvor den Einflüsterungen der Anhänger Frankreichs, insbesondere des Grafen Fersen, Gehör schenke[1], eine Wahrnehmung, die bald auch von anderen Seiten bestätigt wurde[2].

In der That hatte die Französische Regierung der Königin eine grosse Geldsumme für den Fall angeboten, dass sie und ihre Anhänger Frankreich ihren Beistand leihen wollten, und es war um so mehr zu befürchten, der Hof werde seiner beträchtlichen Schulden wegen auf dieses Anerbieten eingehen[3], als Ulrike in jener Zeit einmal zu Löwenhjelm äusserte, sie könne in der Russischerseits versprochenen Wiederherstellung der Regierungsform von 1720 allein keine wesentlichen Vortheile für sich erblicken und werde daher vorzugsweise alle die unterstützen, welche weit mehr als Russland zum Vortheil des Hofes beitragen zu wollen versprächen[4].

Vornehmlich war die Missstimmung Ulrikens wohl durch das Betragen Goodricke’s hervorgerufen worden, der seit Anfang September seinen Instructionen gemäss[5] im Einvernehmen mit Osterman häufig ihren persönlichen Interessen entgegenarbeitete. In heftigen Worten beklagte sie sich bei Cocceiji über den Englischen Gesandten, weil er ohne ihre Genehmigung mit der Nation

  1. Vgl. Solowjew XXVI, 98.
  2. Beispielsweise berichtet Cocceiji am 26. October: „Le Général Fersen – – – est rentré en ville. Il conserve les dehors avec la Cour et ses fréquentes allées et venues à Drottningholm me font soupçonner qu’il s’est chargé de faire des propositions. C’est un homme fin et ambitieux, au fond du coeur le partisan le plus zélé de la France; on ne saurait être assez en garde“.
  3. Vgl. Raumer III, 211 und die Depesche Cocceiji’s vom 2. November.
  4. Vgl. Solowjew XXVI, 100 u. 101.
  5. Sandwich an Macartney in Petersburg (26. Februar 1765): „The Orders which have been from time to time sent to that Minister [Goodr.] have been uniformly and steadily the same, always tending to cooperate with the Court of Russia, to proceed with them pari passu in every plan of operations, for the common good“. Sbornik XII, 196; vgl. 187 (Sandwich an Buckingham, 12. October 1764). Das Datum der veränderten Haltung G.’s ergiebt sich aus der Depesche Cocceiji’s vom 4. September.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Reichtagswahlen
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_326.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)