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seiner kaiserlichen Bundesgenossin in lebhafte Unruhe, betonte in seiner Antwort seinen „tödtlichen Schmerz“ über das Benehmen Ulrikens, welche „infolge einer Art von momentaner Geistesverwirrung“ (par je ne sais quel esprit de vertige) sich den heilsamen Absichten Russlands widersetze, sprach von seinen zahlreichen Ermahnungsbriefen, deren Fruchtlosigkeit ihm die Wahrheit des alten Satzes gezeigt, „dass die Abwesenden Unrecht haben“, versprach, wenn irgend möglich, den „Zauberbann“ brechen zu wollen, welcher den Hof seinen eigenen Feinden in die Arme treibe, und schloss mit der Bitte, die Kaiserin möge wenigstens vorläufig ihre Gunst noch nicht seiner Schwester entziehen, die er durch Vorstellungen und Ermahnungen von ihrer „verhängnissvollen Verblendung“ zu erretten hoffe[1].

Dass diese Versprechungen ernst und ehrlich gemeint waren, bewies der Brief, den er schon am folgenden Tage zusammen mit einem Auszug des kaiserlichen Schreibens der Königin übersandte, und in welchem er ihr in herzbewegenden Worten die Gefahren vorstellte, welche ihr und ihrer Familie bevorständen, wenn sie noch weiter den Plänen Russlands entgegenarbeite. Ihre Verbindungen mit der Französischen Partei seien durch die aufgefangenen Depeschen Breteuil’s überall bekannt geworden, und er selbst habe aus denselben zu seinem Bedauern ersehen, dass sie ihr Vertrauen Leuten schenke, die nur ein frivoles Spiel mit ihr trieben[2]. Um alles in der Welt beschwöre er sie, den Russischen Hof nicht noch mehr zu erzürnen, denn ein drohendes Unwetter sei gegen sie im Anzuge, welches nur dadurch beschworen werden könne, dass sie fortan jeden bösen

    Partei unterhalten wolle, bei keiner Gelegenheit ihr Missvergnügen über ihre Ausschliessung von der Parteikasse verhehle und mit der Französischen Partei noch immer Verbindungen unterhalte. Er werde sich daher genöthigt sehen „pour ne pas perdre les avantages qu’il esperait d’obtenir – – – de laisser le Roi dans les bornes où la diète de 1756 L’avait mis“. Am 4. Mai übersandte Friedrich einen „extrait sommaire“ dieses Berichts an Cocceiji zur Uebergabe an Ulrike „afin qu’Elle y réfléchisse à Son gré“. Dieser von der Depesche Solms’ ein wenig abweichende Extrait ist kürzlich im Stockholmer Reichsarchiv aufgefunden worden.

  1. Friedrich an Katharina, 1. Juni, Sbornik XX, 223–24.
  2. Der Immediatbericht Cocceiji’s vom 22. Februar und die Preussische Ministerialnote an Cocceiji vom 18. Mai ergeben, dass Friedrich in der That von dem Inhalt der Depeschen Breteuil’s Kenntniss erhalten.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_336.jpg&oldid=- (Version vom 8.9.2022)