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Dann zog er südlich den Fluss abwärts, um durch die Tundschapässe in die Vertheidigungslinie einzudringen, die Valens eben durch das andere Einfallsthor, den Maritzapass, verlassen hatte. Er wollte sich so zwischen den Kaiser und dessen Hauptstadt schieben, und der kühne Flankenmarsch, den ein ganzes wanderndes Volk ausführte, gelang. Widerstand scheint in den Tundschapässen nicht geleistet oder doch überwunden worden zu sein; jedenfalls war der Rückhalt, den bis dahin das bei Nice lagernde Gros abgegeben hatte, verschwunden. Valens erfuhr die Umgehung zu spät: er kehrte sofort um, aber seine leichten Truppen konnten sich nur noch des Maritzapasses versichern, die Vorhut der Gothen stand bereits bei dem alten Lagerplatz des Kaisers, bei Nice.

Mit einem Schlage hatte sich die ganze Lage geändert und zwar für die Römer sehr zum Schlechten. Valens machte bei Adrianopel Halt und verschanzte sich dort, auf die Verstärkungen seines Neffen Gratianus wartend. Doch der lag fieberkrank noch bei 50 Meilen entfernt in Castra Martis an der Mösischen Donaugrenze: nur der Fränkische Graf Richomer, der schon in der Schlacht bei ad Salices mitgefochten hatte, erschien von ihm gesendet und bat zu warten[1].

Kriegsrath auf Kriegsrath wurde gehalten; die Oströmisch-christliche Partei rieth zu warten, Sebastianus und sein Anhang zu schlagen. Und zu schlagen war auch die einzige Möglichkeit, wenn man nicht Frieden schliessen wollte. Die directe Strasse nach Constantinopel war gesperrt, die Zufuhren waren abgeschnitten, und von Tag zu Tag erhielten die Gothen neuen Zuzug. Wie lange Gratianus noch zögerte, ob er unterwegs nicht Widerstand finden werde, war zweifelhaft. So entschied der Kaiser, den man sehr mit Unrecht desshalb getadelt hat, in durchaus richtiger Erkenntniss für die Schlacht[2]. Während

    wird (Amm. 11, 6). Die Vereinigung der Gothen mit Alanen wird ja besonders hervorgehoben (Amm. 8, 4), Ostgothische und Alanische Reiterschaaren sind kurz vor der Schlacht von Adrianopel noch fern und werden sehnlichst erwartet (Amm. 12, 12. 17). Schliesslich dehnte sich die erste Gothische Stellung bis Nicopolis nördlich des Balkan aus (Amm. 11, 2). Aehnliches vermuthet schon richtig Bessell in Ersch u. Gruber R.-E. S. I Bd. 75 „Gothen“ S. 176.

  1. Amm. 12, 4. 5.
  2. Amm. 11, 6. 12, 3. 5–7. Gratianus scheint nach der Schlacht von Adrianopel noch nicht weiter vorgerückt gewesen zu sein, vgl. Zosimus
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_014.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2023)