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Die Urkunden, in welchen Berufsrichter Recht sprechen, sind für unseren Bezirk überaus selten. Um so zahlreicher aber ist eine andere Kategorie von Urkunden, welche sich auf Entscheidung oder Beilegung von Rechtsstreitigkeiten beziehen. Statt des Urtheils von Richtern erfolgt ein Schiedsspruch durch boni homines. Bei Verletzung desselben hat der verletzende Theil gewöhnlich das Doppelte des Streitobjects zu vergüten und überdies Geldstrafe zu zahlen. Später pflegt ausdrücklich erwähnt zu werden, dass der nicht vertragstreue Theil vor den jeweiligen ordentlichen Gerichten für jene Bussen zu belangen ist.

In etwas kann der Zufall dabei mitwirken, dass auf eine sehr grosse Zahl vorhandener Urkunden, welche die von boni homines gefällte Entscheidung oder die unter ihrer Theilnahme erfolgende friedliche Beilegung (oft nach bewaffneten Zwistigkeiten) bezeugen, bis zur Entwicklung der Consulargerichtsbarkeit nur vereinzelt der Rechtsspruch eines judex kommt. Der Hauptsache nach wird man bei diesem Verhältniss schliessen müssen, dass der Austrag von Rechtsstreit auf diesem schiedsrichterlichen Wege geradezu die Regel, die Anrufung des ordentlichen Gerichts die Ausnahme bildete.

Als „breve recordationis et diffinitionis, securitatis ac firmitatis pro futura ostensione“, oder „… refutationis“, oder, wenn Gewaltthätigkeiten vorgekommen, auch „… perdonationis“ sind diese Urkunden gewöhnlich gefasst und die perdonatio erstreckt sich unter Umständen selbst auf den Mord eines angesehenen Mannes. Gegen Zahlung einer hohen Summe an den Bruder des Getödteten soll keine weitere Belästigung eintreten[1]. Die, sagen wir friedensrichterliche, Thätigkeit der boni homines – die in späterer Zeit gelegentlich boni viri genannt werden – wird in dem Prooemium einer Urkunde[2] einmal dem richterlichen Wirken gleichgestellt. Es heisst da: „Ideo judiciarius rigor sive et quinque compromissum bonorum virorum arbitratu tractandum in medio posita sunt, ne quis sibi ulctionem permittat et ne populares furore vel iracundi provocati ad bella vel rixas temere

  1. Buecotto 1193 Juni 30. (Arch. dipl. Flor., Proven. Passign.)
  2. 1186 Apr. 27. (Arch. dipl. Flor., Acquisto di Luco.) – Die Fassung der von einem höher gebildeten Notar geschriebenen Urk. weicht überhaupt von dem herkömmlichen Formular ab.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_027.jpg&oldid=- (Version vom 16.10.2022)