Seite:De DZfG 1891 06 058.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Wilhelm die eigentliche Triebfeder der Wahlbemühungen war und wie sehr ihm dieselben am Herzen lagen. Er erhielt die Anzeige seines Bruders zu Mallersdorf in Niederbaiern. Nur noch wenige Tage waren bis zu demjenigen, an welchem Ernst in Eger eintreffen wollte, übrig, und Wilhelm scheute weltliche Mühen nicht minder, als er mit Aengstlichkeit darauf bedacht war, dem Gottesdienste ausgiebig abzuwarten. Gleichwohl brach er am 18. Mai in der Frühe auf und reiste mit Speer und nur drei anderen Begleitern, verkleidet, bei Tage fast ununterbrochen reitend, Nachts auf Einzelhöfen einkehrend und sich am Sonntage nur eine einzige stille Messe gönnend, nach Tirschenreut, wo er am Sonntag den 20. Abends eintraf. Von dort schickte er am nächsten Morgen Speer nach Eger voraus, um zu erkunden, wann Ernst eintreffen würde.

Speer fand in der Böhmischen Grenzstadt die Kölner Geheimräthe Bille und Groisbeeck. Dieselben hatten soeben ein Schreiben des kaiserlichen Geheimsecretärs Barvitius erhalten, welches bat, der Kurfürst möge seinen Besuch in Prag noch verschieben, da gerade eine Gesandtschaft protestantischer Reichsstände beim Kaiser eingetroffen sei[1] und die Feste Pfingsten und Fronleichnam vor der Thüre ständen. Sie waren daher überzeugt, dass ihr Herr einstweilen in sein Bisthum Freising gehen werde, und da sie besorgen mochten, dass eine Besprechung mit einem Baierischen Rathe, wenn sie bekannt werde, den Argwohn Rudolf’s oder der anderen Kurfürsten erwecken könne, so drangen sie, einen Auftrag Ernst’s vorgebend, darauf, dass Speer sogleich abreisen solle; von Freising aus werde ihr Herr mit den Baierischen Herzögen zusammenkommen. Die Mittheilung, dass Herzog Wilhelm bereits in der Nähe sei, liess sie ihr Verlangen auch auf diesen ausdehnen, und der Kurfürst selbst wiederholte es, nachdem er am selben Tage bis auf fünf Meilen von Eger herangekommen war, und seine Räthe ihm Bericht erstattet hatten. Erst nach mehrfachem Briefwechsel willigte er ein, mit seinem Bruder in Mallersdorf, wohin derselbe zurückkehren solle, wie zufällig zusammenzutreffen. Das geschah dann auch am 27. Mai, und am folgenden Tage fuhren beide Fürsten gemeinsam nach Freising.

  1. S. Briefe und Acten V, 541.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_058.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2023)