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Sohm hat die beiden Wurzeln wig kämpfen und wich Ort für identisch gehalten, so entsteht sein befestigtes Haus, seine Burg. Beherrscht von einer vorgefassten Meinung gelangt er dazu, in wich den Begriff der Befestigung, der Burg zu finden, weil er den Sächsisch-Thüringischen Ausdruck Weichbild und Weichbildsrecht mit dem Baierisch-Oesterreichischen Ausdruck Burg und Burgrecht in Einklang bringen möchte. Unter burg versteht er den Begriff, der uns bei diesem Worte meist vorschwebt, nämlich den des befestigten Hauses, der Ritterburg. Jede Stadt ist ihm eine Burg im Rechtssinne, welche ein besonderes Burgrecht, nämlich das Recht der Königsburg besitzt. Jede Stadt ist eine Burg des Königs. Diese Deutungen erweisen sich aber leider als falsch. In Burgrecht liegt nicht der Begriff des befestigten Hauses, der (Ritter-) Burg. Burgrecht bedeutet dasselbe wie Weichbildsrecht, nämlich Stadtrecht, denn burg – got. baurgs, ahd. burg, burc, burch, purg, purc, purch, mhd. burg, as. burug, ags. byrig, an. borg – bedeutet Ort, Stadt, urbs[1]. Das Wort geht auf die Wurzel bergen, arcere – got. bairgan – zurück. Burg ist also die bergende, schützende Stelle, an der sich das Volk verbarg, wenn Gefahr drohte. Die oppida, die Cäsar erwähnt, waren solche burgen, es waren Zufluchtsorte nicht des Einzelnen, sondern eines Dorfes, eines Gaues. Der Begriff des bergenden Hauses, der Ritterburg hat sich erst spät entwickelt. Die Königsburg wird in älterer Zeit immer als Pfalz bezeichnet. Neben burg findet sich in vielen Gegenden der Ausdruck haus. – Vulfila übersetzt πόλις, Stadt, immer mit baurgs. Die Bedeutung von burg = Stadt hat sich dann besonders im Baierisch-Oesterreichischen Gebiet erhalten, vielleicht wirkt hier Gothischer Sprachgebrauch nach, denn die Reste der Ostgothen sind wohl in den Baiern aufgegangen. Der Baierische Ueberarbeiter der Uebersetzung des Isidor braucht burc in Bedeutung von Ort, Stadt (um 805), auch die Baierisch-Oesterreichischen Dichter des Nibelungenliedes und der Gudrun brauchten bürge und burc in gleicher Bedeutung. Im Norden kommt burg nur in Zusammensetzung von Städtenamen vor. Burg bedeutet im Süden, wie Weichbild im Norden Ort, Stadt. Der Begriff der Befestigung tritt zurück. Beide Ausdrücke sind später durch stat, das ursprünglich nur Stelle, Raum, Gegend bedeutet, verdrängt. Die gleiche Bedeutung der beiden Worte, die uns prägnant in den Zusammensetzungen wichgraf, burggraf, wichfriede, burgfriede entgegentritt, hat es dann ermöglicht, dass die Ableitungen von burg und dem latinisirten burgum, burgenses, borgere, bürger auch im Norden Eingang fanden. Die Vorstellung, dass die Stadt ursprünglich

  1. Gengler a. a. O. S. 357.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_087.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2023)