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Mal wird auf Schelling’s Lehrmeinungen Bezug genommen in der Anmerkung des achtzehnten Vortrags, dass Ludwig XIV. ungefähr dieselbe Idee von der Monarchie wie Schelling gehabt habe, „wonach der Fürst den Staat zu führen hat“. Und es ist gewiss kein Zufall, dass der Philosoph, welcher den Lehrer seines Schwiegersohnes Georg Waitz wegen seines Geistes und seiner Gesinnung hochschätzte[1] von diesem gerade wegen einer politischen Ansicht citirt wird. Denn in seinen politischen Anschauungen stand der ehemalige Herausgeber der historisch-politischen Zeitschrift dem greisen Philosophen sehr nahe.

Es lautet selbstverständlich und enthält doch die Grundlage aller historischen Forschung, wenn Ranke dem Historiker empfiehlt, sich an das Object zu halten. Nichtbeachtung dieses Grundsatzes bestraft sich immer, am meisten vielleicht bei der schwierigen Untersuchung geistiger Strömungen. Die angeführten äusseren Zeugnisse über die Beziehungen Schelling’s und Ranke’s standen auch Lorenz bei Abfassung des zweiten Theils der „Geschichtswissenschaft“ zu Gebote. Allein wie er sich die Freiheit gestattet, Urtheile Ranke’s über Fichte und Alexander v. Humboldt’s über Hegel kurzerhand auf Wilhelm v. Humboldt zu beziehen, so hält er es für überflüssig, sich über seine früher aufgestellte Behauptung zu äussern, und so hat er sich denn auch in seinem Urtheile über Humboldt’s Aufsatz nicht so ganz, wie es wünschenswerth gewesen wäre, an das Object gehalten.

Auf eine Feststellung der philosophischen Grundlage von Humboldt’s Ideenlehre lässt sich Lorenz überhaupt nicht ein. Hat doch Paul Hinneberg[2], auf den er sich mehrfach beruft, gesagt, dass die Voraussetzung der Humboldt’schen Abhandlung die längst abgefertigte, unwissenschaftliche Erkenntnisstheorie sei, wogegen, was Humboldt’s Verhältniss zur Kant’schen Philosophie betrifft, sich schwerlich etwas einwenden lässt. Dass aber die Lehre des grossen Königsbergers, des ersten kritischen Philosophen aller Zeiten, nur darum, weil sie von neueren Philosophen vielfach angegriffen oder ergänzt und berichtigt wird, unwissenschaftlich

    mich zu sehr in Combinationen zu verwickeln drohten, in denen ich den Boden unter den Füssen zu verlieren fürchtete.“

  1. An Schubert. Berlin 30. Jan. 1842. Aus Schelling’s Leben 3, 174.
  2. Die philosophischen Grundlagen der Geschichtswissenschaft. HZ 63 (1889), 54.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_247.jpg&oldid=- (Version vom 22.1.2023)