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gibt uns die Sohm’sche Hypothese ein Räthsel, und es gebricht derselben somit an jedem Rückhalt.




2. Der zweite Theil der Theorie, welche Sohm zur Grundlage seiner Ausführungen macht, besteht in der Annahme, dass nach Fränkischem Amtsrecht das Marktstadtgebiet mittelst des Kreuzes (Weichbilds) als vom König beschlagnahmt gelte[1]. Dies begründet Sohm zunächst durch einen Schluss aus der Sache selbst: das Kreuz auf dem Markt bedeutet Beschlagnahme durch den König, weil das Zeichen fiscaler Beschlagnahme eines Grundstückes auch ein Kreuz ist. Drücken wir diesen Schluss abstract aus, so behauptet Sohm damit: wenn ein und dasselbe Symbol zur Bezeichnung zweier Rechtsverhältnisse angewandt wird, so sind diese wesentlich identisch. Es ist wohl einleuchtend, dass dieser Schluss unzulässig ist. Denn es kommt nicht selten vor, dass dasselbe Symbol eine Grundvorstellung vertritt, aus der sich Rechtserscheinungen von sehr verschiedenartiger Bedeutung entwickelt haben, die also, trotzdem sie durch dasselbe Symbol bezeichnet werden, gar nicht identisch sind. Und das ist nach Schröder, auf den sich Sohm hierbei (S. 30 Note 47) beruft, gerade der Fall hinsichtlich der Bedeutung des Kreuzes als Symbol des Marktrechts und der Beschlagnahme: eine gemeinsame Grundbedeutung liegt vor, das Kreuz ist Wahrzeichen des königlichen Bannes, daraus haben sich die verschiedenen Anwendungsweisen desselben als Zeichen des Vermögensbannes und des Marktfriedensbannes entwickelt. Und nicht allein diese. Wird doch auch bei Hegung des öffentlichen Gerichts ein Symbol aufgerichtet, das sich von vorkommenden Formen des Weichbilds und des Beschlagnahmesymbols nicht unterscheidet[2],

  1. Wenn wir Sohm’s Ausdrücke S. 30 genau nehmen, so handelt es sich hier ursprünglich nicht um eine Fiction, sondern nur um die analoge Anwendung des Rechtsmittels der Beschlagnahme; indess wird man doch sagen müssen, dass im 12. Jahrhundert, als nach Sohm neue Rechtswirkungen davon erst ins Leben traten, der vorliegende Rechtsgrund nicht mehr anders als eine Fiction genannt werden kann.
  2. Ich erinnere daran, was ich oben S. 258 bemerkte, dass ich das Weichbild nur der Kürze wegen schlechtweg als Kreuz bezeichne, wie es auch Sohm thut, dass aber dasselbe keineswegs immer ein Kreuz ist, sondern durch die verschiedenen oben angeführten Gegenstände vertreten wird,
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_262.jpg&oldid=- (Version vom 21.1.2023)