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es denn natürlich, dass die der alten Kirche treu gebliebenen Stände mit wachsender Sorge die immer höher steigende Fluth des Abfalls beobachteten. Namentlich die Herzoge von Baiern fühlten sich in hohem Grade beunruhigt, als nicht nur in Württemberg und Augsburg die neue Kirche gesiegt hatte, sondern diese beiden Nachbarn auch ihre Aufnahme in den Schmalkaldischen Bund eifrig betrieben. Als sie im Februar 1536 den bekannten Weissenfelder an den Kaiser schickten, um das merkwürdige Project des Herzogs Ludwig zu betreiben, welcher sich einbildete das durch den Tod Sforza’s erledigte Mailand gewinnen zu können, wurde in seiner Instruction die gefährliche Lage der Deutschen Dinge mit besonderem Nachdruck geschildert. Die Lutheraner, sagten sie, stärkten sich gegen den Nürnberger Vertrag täglich, wollten Jedermann zu ihrem Glauben dringen und würden dem Concil nicht gehorchen. König Ferdinand werde durch seine „bösen Räthe“ verhindert, gegen dieses Unwesen, namentlich gegen das neuerdings in Württemberg und Augsburg vorgenommene, energisch einzuschreiten. Dazu komme, dass England und Frankreich die Lutheraner in ihren bösen Anschlägen stärkten. Der Kaiser bemühe sich aber ganz vergeblich um das Concil, wenn er nicht vorher die Ausführung der Beschlüsse desselben gesichert habe. Er müsse die Abgefallenen mit Gewalt dahin bringen, dass sie erstens in ihrem Lande einem Jeden die alten Ceremonien gestatteten und zweitens sich verschrieben, dem Concil zu gehorchen. Die Herzöge versprachen dem Kaiser für dieses Unternehmen ihren nachdrücklichen Beistand; sie würden sich zunächst gegen Herzog Ulrich wenden, denselben vertreiben und seinen Sohn einsetzen. Danach seien die Nassauischen und andere Sachen in die Hand zu nehmen und der Landgraf anzugreifen. Sobald diese beiden, der Landgraf und Herzog Ulrich zu Gehorsam gebracht worden, würden die Sachsen und die Anderen „entgegen laufen“. In drei oder vier Monaten lasse sich diese wichtige Aufgabe lösen. Dann könne sich der Kaiser gegen Frankreich wenden[1].

Man versteht nicht wohl, wie am Baierischen Hofe so kühne Phantasien möglich waren, nachdem der Kaiser seit Jahr und

  1. Instruction für Weissenfelder von Eck’s Hand vom 12. Februar 1536. Baierisches Staatsarchiv.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_275.jpg&oldid=- (Version vom 23.1.2023)