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Damit dürfen wir wohl unsere Untersuchung über die Benutzung des Carmen in den Annalen abschliessen, ohne damit den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen. Gegen unsere Bemerkung auf S. 325, dass mit dem Nachweis dieser engen Beziehung zwischen den beiden Werken auch zugleich die Unmöglichkeit der Verfassergleichheit bewiesen sei, wird nichts einzuwenden sein; denn alle Abweichungen und Aenderungen liessen sich, soweit ein Eindringen in die unsern Autor bewegenden Factoren überhaupt möglich war, aus seiner schriftstellerischen Individualität erklären[1].

  1. Auf Pannenborg’s stilistische Beweisführung hier einzugehen, fehlt es mir einmal an Raum, andererseits hat Holder-Egger, dessen gründlicher Kenntniss des Lambert’schen Stils wir den Nachweis der Autorschaft Lambert’s für die Vita Lulli und die Annalen verdanken, in einer Recension obiger Schrift (NA XV) eine Widerlegung der P.’schen Hypothese in Aussicht gestellt. Ich kann mich auf weniges beschränken. Stilistische Anklänge der Annalen an das Carmen erklären sich einmal aus der Benutzung des Gedichtes und dann aus der Gleichzeitigkeit der Abfassung, die dieselbe Schulbildung bedingt. Gegen die Verfassergleichheit spricht als wesentlichster Factor das Fehlen des für unseren Autor so überaus charakteristischen typischen Elementes in C. Freilich finden sich auch im Gedicht zahlreiche Wiederholungen (I, 142 u. II, 193; I, 199 u. II, 143; II, 79 u. II, 126; II, 180 u. III, 284; II, 135 u. III, 110; I, 213 u. III, 176), aber man wird ihnen keinen Werth beilegen dürfen, weil ihnen gerade in den Annalen nichts Aehnliches zur Seite gestellt werden kann. Die betreffenden Carmenstellen finden sich bei Lambert fast durchwegs mit anderen Worten wiedergegeben. Es treten in Carmen sogar Wiederholungen auf, die dem Annalentypus geradezu widersprechen. So z. B. wenn in C. vor einem Aufstande regelmässig Boten im Lande herumgeschickt werden.
    II, 130.
    Denique per patriam mittebant nuncia totam,

    Cunctus ut ad bellum populus properaret agendum.

    III, 97.
    Emittunt equites strictis mucronibus acres

    Per totam patriam vulgi concire catervas
    Omnes ad bellum
    .

    Bei Lambert tritt das nirgends hervor; bei seinen Aufständen handelt es sich immer nur um Zusammenkünfte (Diss. S. 58). Auf eine Bemerkung Edel’s (S. 553) ist noch besonders hinzuweisen: „Jedem Leser wird es bei Lectüre des Carmen auffallen, dass so oft die Darstellung durch Fragen, Ausrufe, direkte Anreden und Ermahnungen an die Sachsen, durch Vorwürfe an die betreffenden Personen unterbrochen ist – – – man muss über das gänzliche Fehlen dieser Sonderheit in den Annalen bei der Annahme eines gemeinsamen Verfassers für beide Werke sehr verwundert sein.“ Auch wir können nicht verstehen, wie Lambert in der Prosa ein Element seiner

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_340.jpg&oldid=- (Version vom 23.1.2023)