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freimacht. Wandernde Spielleute werden es gewesen sein, die jene Kunde in sein Kloster brachten; es ist ja zur Genüge bekannt, wie sie neben den Wandermönchen meist die Verbreiter historischer Thatsachen waren. Von einem Orte nach dem andern ziehend, meist in den Klöstern übernachtend, verbreiteten sie singend und sagend die Kunde von den Dingen, die die Welt bewegten. – Es war so ein rechter Spielmannsstoff, dieses Kaiserswörther Attentat. Wir können es uns recht wohl vorstellen, wie einer von ihnen unserem lauschenden Mönch anschaulich und lebendig den Vorgang ausmalte, wobei er geschickt ein Sagenmotiv in seine Erzählung einwob. Fast in allen Spielmannsdichtungen, die uns, wenn auch aus etwas späterer Zeit, überliefert sind, wird die Entführung von Königskindern in ähnlicher Weise erzählt. Vor allem im Rotharilied, das so recht typisch für die ganze Gattung ist; die von dem König Rothari geraubte Tochter des Byzantinischen Kaisers wird vermittelst eines reich ausgeschmückten Schiffes, auf das sie gelockt wird, entführt. Dann erinnere man sich der Entführung Hilde’s in der Kudrun (Avent. V–VII). Ist es nicht sehr einleuchtend, dass solch ein Spielmann Lambert’s Gewährsmann war, zumal sich dann auch die eigenthümliche, von keiner andern Quelle berichtete Geschichte von dem Fluchtversuch des Knaben erklären liesse, die leicht in einer phantasievoll bewegten Seele eines Spielmanns entstehen konnte?


Sturz Adalbert’s von Bremen zu Tribur 1066.

Den ausführlichen Bericht Lambert’s (pag. 67) hat Meyer von Knonau mit vollem Rechte bei seiner Darstellung dieses Vorganges (I, pag. 488) unberücksichtigt gelassen. Im Folgenden soll eine Zergliederung und damit eine Erklärung der von den übrigen Quellen abweichenden Erzählung Lambert’s versucht werden, weil uns dieselbe das Zusammenwirken einzelner Elemente seiner Historiographie veranschaulichen kann.

Nach dem Verfasser der Jahrbücher gestaltet sich das Ereigniss kurz folgendermassen: Auf der Reichsversammlung zu Tribur wurde von den Verschworenen „Heinrich IV. die Aufforderung vorgebracht, Adalbert von seiner Seite fortzuschicken, die Verfügungen, welche auf dessen Rath geschehen waren, als aufgehoben zu erklären. Der Druck war ein so gewaltiger, und

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_345.jpg&oldid=- (Version vom 23.1.2023)