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Kleine Mittheilungen.


„Naturwissenschaftliche“ Geschichtsforschung? Felix Stieve hat in der Einleitung zu einem Aufsatz im vorigen Heft dieser Zeitschrift, S. 40–43, Gedanken über Geschichtsschreibung und deren Methode geäussert, die zu entschiedenem Widerspruch Anlass geben. Er befürwortet gegenüber den jetzt herrschenden Arten des Geschichtsbetriebes eine „empirische Forschungsweise, die Methode, ganz voraussetzungslos in die Untersuchung einzutreten und erst auf Grund möglichst zahlreicher, durch prüfende Beobachtung gewonnener Thatsachen Schlüsse zu ziehen, dann aber auch sich nicht mehr durch „Autoritäten“ binden zu lassen und die Erscheinungen in ihrer Ganzheit und in ihrem organischen Zusammenhange mit anderen aufzufassen“; er meint, „es möchte sich empfehlen, diese Forschungsweise der Naturwissenschaften auch auf die Geschichte anzuwenden“.

Geben wir einmal zu, worüber ja jetzt mehrfach geklagt wird, dass unsere Arbeiten einerseits viel in quellenkritischem Detail stecken bleiben und dass andererseits eine stark subjective, constructive Geschichtsschreibung im Schwange ist –, aber sind solche Einseitigkeiten und Ausschreitungen, die vorkommen, Erscheinungen, welche der Durchschnittsrichtung unserer Historiker entsprechen? Ist nicht vielmehr das, was Stieve als Inhalt der von ihm als neu empfohlenen Methode hinstellt, das Glaubensbekenntniss aller unserer ernstlich wissenschaftlich gebildeten Historiker, nicht die genaue Wiedergabe dessen, was seit Niebuhr und Ranke als Grundlage unserer Forschung und Darstellung gilt? Es liesse sich verstehen und berechtigt finden, wenn Stieve gegenüber den erwähnten Einseitigkeiten der zeitweiligen Arbeitsweise auf diese unveräusserliche Richtschnur von Neuem mit Nachdruck hinwiese, aber wie kommt er dazu, dies als eine neue Methode hinzustellen? Und gar als eine naturwissenschaftliche?! Wenn man heutzutage von einer specifisch naturwissenschaftlichen Methode redet, so kann darunter doch nur jene verstanden werden, welche, wie Stieve sie zutreffend bezeichnet, die Natur- und auch die

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_356.jpg&oldid=- (Version vom 23.1.2023)