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in den Zeiten des Stammeslebens kaum schüchterne Anfänge vorhanden: schon deshalb nicht, weil das Familienvermögen, zumeist aus Grundeigen bestehend, schon seinerseits wiederum an die starren Wirthschaftsvorschriften der markgenössischen Verfassung gebunden war.

So war das Familienvermögen durchaus einheitlich und keiner Theilung unter Lebenden fähig, ja es ward nicht einmal als im Eigenthum der jeweils lebenden Familie oder des Vaters befindlich angesehen, sondern galt gleichsam nur als ein Nutzungscapital, das die Familien der beiderseitigen Gatten zu deren Gebrauch zusammengeschossen hatten: kehrte es doch bei kinderlosem Tode der Ehegatten nach seinen ursprünglichen Bestandtheilen in deren beiderseitige Familien zurück.

In der Familie selbst aber ward es in so hohem Grade als fester untheilbarer Stock betrachtet, dass noch in später Zeit wenigstens in bäuerlichen und adlichen Kreisen die Söhne als gleichberechtigte Erben das elterliche Gut nicht zu theilen, sondern in gemeinschaftlicher Wirthschaft, als Ganerben, weiter zu nutzen pflegten.

Nur war freilich schon seit der Zeit der Volksrechte, etwa seit Ende des 6. Jhs., in diese engste Gebundenheit Bresche gelegt. Man begann für den früheren Todesfall des Mannes das Schicksal der überlebenden Frau durch Ausscheidung eines Witthums sicher zu stellen; und seit dem 9. Jh. war dieses Witthum bei den Franken schon bis zu einem Drittel des gegenwärtigen oder zukünftigen Vermögens des Mannes angewachsen. Man begann ferner neben dem alten obligatorischen Erbrecht doch die Möglichkeit einer vertragsmässigen Erbfolge zu entwickeln; wenn sie einstweilen auch nur durch das starke Mittel einer Adoption des gemeinten Erben erlangt werden konnte. Aber es waren immerhin Anfänge, ihnen folgend sollte etwa um die Mitte des 12. Jhs. das gesetzliche Warterecht der obligatorischen Erben eine erstmalige wesentliche Abschwächung erfahren, bis seit der Wende des 12. und 13. Jhs. Testamente mit einem freien Recht der Testirung gewöhnlicher werden.

Indess auch noch die Ehe und Familie des 13. Jhs. ist keineswegs unseren heutigen Institutionen schon ähnlich, um wie viel weniger Ehe und Familie der Ottonenzeit. Noch galt bei aller formellen Ritterlichkeit, welche Frauen gegenüber schon die Volksrechte gebieten, eheliche Treue nur als Erforderniss der

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_010.jpg&oldid=- (Version vom 26.1.2023)