Seite:De DZfG 1892 07 021.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ornamentalen Ausstattung von Innenräumen und Gewändern[1], ja in gewissen Uebergängen zur plastischen Verzierung der Capitäle und sonstigen Zierglieder des neuen Romanischen Stiles[2] Verwendung fand – überhaupt überallhin drang, wo Deutscher Sinn künstlerische Wirkung verlangte. Denn noch ist dieses Zeitalter ein voll ornamentales, soweit es nationaler Kräfte allein sich rühmt; nie sind in Deutschland herrlichere Erzeugnisse ornamentalen Schaffens zu Tage getreten, als in den grossen Evangeliaren der Ottonischen Zeit, dem Evangeliar von Echternach etwa und dem Codex Egberti, wie in den Ritualbüchern König Heinrichs II. für Bamberg, welche die Münchener Bibliothek jetzt unter ihren hervorragendsten Kostbarkeiten bewahrt.

Im Laufe des 11. Jhs. begann die Pflanzenornamentik zu verfallen, aus der ersten Hälfte des 13. Jhs. liegen die letzten Erzeugnisse ihres Geistes vor.

Inzwischen aber hatte die ornamentale Auffassung der Nation eine Wendung genommen, die den Uebergang zu der ganz anderen Kunst der Staufischen Zeit[WS 1] bezeichnet. In der ornamentalen Plastik namentlich Süddeutschlands und Westfalens verliess sie mit dem 12. Jh. die alte Typik der Auffassung und ging zur conventionellen Darstellung über. Merkwürdiger Weise erfolgte damit den Objecten der Darstellung nach zugleich ein Rückschlag auf das alte Kunstgebiet der Darstellung der Thiere. Aber nicht mehr das Thier schlechtweg in seinem Typus als Vogel, Vierfüssler oder Schlange ward jetzt in den abenteuerlichen Sculpturen der Freisinger Unterkirche oder des Wessobrunner Lettners, der Schottenkirche zu Regensburg oder des Basler Münsters[3], des Doms zu Bamberg oder der Kirche zu Coesfeld dargestellt, sondern wohlbekannte, individuelle Formen von Fabelthieren, von Drachen und Greifen, wie von einheimischen Thieren, erhielten conventioneile Gestaltung. Es war eine Bewegung, die dann noch das ganze Staufische Zeitalter erfüllt hat, ja die in den Prachtbauten der Staufischen Herrscher selbst, zu Gelnhausen

  1. Beispiel die Mäntel Heinrichs II. und seiner Gemahlin Kunigunde in Bamberg.
  2. Das Ornamentale der Architectur bis z. J. 1000 etwa ist freilich im Wesentlichen noch classisch, – Deutsche Ornamentik kommt nur hier und da schüchtern zum Durchbruch, z. B. in Gernrode.
  3. Am Basler Münster werden ganze Scenen ornamental vorgetragen, vgl. Dohme, Gesch. der Deutschen Baukunst S. 138.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Die Staufer (früher gelegentlich auch Hohenstaufen genannt) waren ein Adelsgeschlecht, das vom 11. bis zum 13. Jahrhundert mehrere schwäbische Herzöge und römisch-deutsche Könige und Kaiser hervorbrachte. Die bedeutendsten Herrscher aus dem Adelsgeschlecht der Staufer waren Friedrich I. (Barbarossa), Heinrich VI. und Friedrich II.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_021.jpg&oldid=- (Version vom 26.1.2023)