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Schöpfungen sind nichtsdestoweniger Jahrhunderte lang aufrecht geblieben, und seine Ideen haben im Römerreiche fortgewirkt, so lange es überhaupt noch bestehen sollte. Die Unterthanen seufzten unter seinem Drucke; aber dennoch blickten selbst die verfolgten Christen mit einer gewissen scheuen Ehrfurcht zu ihm empor, und sein Andenken blieb hoch gefeiert bis auf den heutigen Tag. Die Dauerbarkeit seiner hastigen Reformen, der Zauber, welchen seine Persönlichkeit auf die Zeitgenossen ausübte und der noch jetzt unverstanden fortwirkt, hatten ihren letzten Grund darin, dass er ein so vollkommener Repräsentant seiner Epoche war, wie keiner ausser dem grossen Constantin, der eben darum auch manche Aehnlichkeiten mit ihm zeigt. Revolutionen und Bürgerkriege, Pestilenzen und Barbareneinfälle hatten im Römerreiche furchtbar aufgeräumt. Von den alten Geschlechtern, welche befähigt und geneigt waren, die Traditionen einer früheren, besseren Zeit aufrecht zu erhalten, war in Rom wie in den Provinzen kaum ein verschwindender Rest übrig geblieben. Die Nachkommen von Sklaven und Ausländern waren in ihre Stellen eingerückt, und mit dem neuen Blute war ein neuer Sinn zur Herrschaft gelangt. Zwar war die Begeisterung für das Alterthum grösser als je zuvor: Literatur und Kunst ahmten es sklavisch nach; die Projectenmacher, welche wie Pilze aus der Erde schössen, glaubten ihre verrückten Pläne nicht besser empfehlen zu können, als indem sie behaupteten, mit ihnen die vergessene Weisheit der Väter wiederzubringen; selbst die Kaiser liessen sich gern als Hersteller des Alterthums preisen und fast jeder unternahm es, einzelne von dessen verschollenen Institutionen zu neuem Leben zu erwecken. Doch wie sich von selbst versteht, scheiterten diese Versuche kläglich, und die gute alte Zeit blieb ein unerreichbares Ideal. Was sich aber von ihr noch erhalten hatte, verachtete man, weil es ja durch sein Ueberleben zu einem Theil der kläglichen Neuzeit geworden war. Das Haus, in dem man gewohnt hatte, war zusammengestürzt, und eiligst suchte man nicht aus den Trümmern, sondern über ihnen ein neues Gebäude herzustellen. Jeder machte Pläne dazu, die nur in dem Gedanken übereinstimmten, dass alles anders werden müsse, als es zur Zeit war. Eine zügellose Herrschaft der grauen Theorie, ein radicales Unbekümmertsein um alles Bestehende, ein wildes Experimentiren auf allen Gebieten des staatlichen Lebens, ein Uebermass tief einschneidender

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_050.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2023)