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sei, um dem Reiche die Sicherheit wiederzugeben. Zu diesem Zwecke bedürfe er einer dauernden und überlegenen Stellung inmitten der wechselnden Magistrate, bis sein hoher Beruf erfüllt sei. Es liegt im Wesen dieser Fiction, dass im Princip das Kaiserthum nicht erblich, ja nicht einmal lebenslänglich sein konnte; denn war die Gefahr vorüber, so hörte seine Berechtigung auf. Augustus übernahm die Gewalt daher auch immer nur auf fünf oder zehn Jahre, nach deren Ablauf er regelmässig Miene machte, sie niederzulegen, und sich nur durch die Bitten von Senat und Volk zu ihrer Weiterführung bestimmen liess. Diese Komödie haben sich seine Nachfolger zwar gespart, aber wenigstens bei jedem Thronwechsel musste der Theorie nach die Frage auftauchen, ob denn die ausserordentliche Nothlage des Staates, welche zur Begründung der Kaisergewalt geführt hatte, noch fortdauere und ob wieder der ausserordentliche Mann sich finden lasse, dem man die Macht zu ihrer Ueberwindung anvertrauen könne. Formell bestanden alle republicanischen Magistrate fort; ihre Functionen hatten rechtlich keine Aenderung erfahren: sobald man beim Ableben des Kaisers die Wahl eines neuen unterliess, schien also die Republik von selbst wieder da zu sein. In dieser Weise ist ihre Erneuerung nach dem Tode des Caligula, und zum zweiten Male nach dem des Nero thatsächlich versucht worden, und vielen der besseren Kaiser rühmte man noch in später Zeit mit Recht oder Unrecht nach, sie hätten ihre Gewalt niederlegen und die Volksfreiheit herstellen wollen.

Zu diesen Theorien stand die Praxis freilich im schroffsten Widerspruche. Monarchie und Dynastie sind eben untrennbare Begriffe; kaum begann jene sich vorzubereiten, so regte sich in den Massen schon das dynastische Gefühl. Caesar hat seine Macht als Erbe des Marius empfangen, Augustus als Erbe Caesars, und später galt unabänderlich, nicht rechtlich formulirt, aber stillschweigend anerkannt, der Grundsatz, dass der nächste Verwandte des Kaisers auch sein gegebener Nachfolger sei. Jedem Herrscher, der in Frieden zu seinen Vätern versammelt wurde, ist daher sein civilrechtlicher Erbe, mochte er nach dem Blute oder durch Adoption berufen sein, auf dem Throne gefolgt, ohne dass man doch die Erblichkeit des Kaiserthums principiell zugestanden hätte.

Trotzdem kann man es auch nicht ein Wahlamt nennen; denn man wählte nicht dazu einen aus mehreren geeigneten Candidaten,

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_052.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2023)