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wie zum Consulat oder zur Prätur. Es war eben überhaupt kein einheitliches, gesetzlich dauerndes Amt, das immer neu besetzt werden musste, wenn es erledigt war, sondern eine Summe von Aemtern und Würden, die ausserordentlicher Weise auf einem Manne um seiner besonderen Verdienste und Fähigkeiten willen vereinigt wurden. Mit dem Kaiser starb daher auch jedesmal das Kaiserthum, und wenn es in seinem Nachfolger wieder auferweckt wurde, so brauchten die Ehren und Befugnisse, welche man ihm übertrug, keineswegs genau dieselben zu sein, welche sein Vorgänger besessen hatte. Dieser zusammengesetzten Competenz entsprechend ist auch die Bestellung des Kaisers keine einheitliche Handlung, sondern sie zerfällt in eine ganze Reihe von Einzelceremonien. Ein besonderer Act verleiht ihm das Proconsulat; dann beräth der Senat seine tribunicische Gewalt, formulirt das Ausnahmegesetz, durch welches sie ihm übertragen werden soll, und definirt in den Paragraphen desselben die unterscheidenden Befugnisse, welche der Kaiser vor den wirklichen Volkstribunen und den übrigen Beamten voraus hat. Durch einen Volksbeschluss wird dies bestätigt; ein zweiter eröffnet ihm den Eintritt in die hohen Priesterthümer, deren Mitglieder ihn dann, jedes Colleg in einer besonderen Sitzung, als ihren Genossen cooptiren. Hierauf erhebt ihn eine dritte Volksversammlung zum Pontifex maximus; noch später, mitunter erst nach Jahren, ertheilt ihm der Senat den Titel Vater des Vaterlandes. Der wesentlichste dieser Acte war rechtlich das Gesetz über die tribunicische Gewalt, durch welches nach der Auffassung der späteren Juristen das Volk seine Souveränität auf den Kaiser übertrug; an praktischer Wichtigkeit aber wurde es durch die Verleihung des Proconsulates weit übertroffen. Denn diese gab mit den Provinzen zugleich die Heere in seine Hand, und wer die Macht hat, ist der Herr, welches immer sein Rechtstitel sein mag. Deshalb knüpft dasjenige, was man allenfalls die Kaiserwahl κατ᾽ ἐξοχήν nennen kann, durchaus an das Proconsulat an, und eben dies war das Verhängniss des Römischen Reiches.

Augustus und seine nächsten Nachfolger haben sich nie Proconsuln genannt, obgleich ihnen das Recht dazu zweifellos zustand. Sie verschleierten es gern, dass ihre Gewalt auf dem Degen beruhte, und stützten sie formell lieber auf ihre bürgerlichen Stellungen. Gleichwohl mochten sie die wichtigste ihrer Befugnisse nicht ganz ohne titularen Ausdruck lassen. Sie nannten sich

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_053.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2023)