Seite:De DZfG 1892 07 057.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sich gezwungen, um sein neugebackenes Thronrecht zu sichern, die Heere von den Grenzen weg gegen seine Gegenkaiser zu führen. Des gewohnten Schutzes entblösst, wurden so die Provinzen den Barbaren zur Beute, und wo diese nicht hinkamen, da hausten die Soldaten, welche sich Römer nannten, nicht selten schlimmer als Germanen und Sarmaten. Und dazu musste das verwüstete Land noch unter furchtbarem Steuerdruck die Summen aufbringen, um die Heere zu den ewigen Bürgerkriegen zu verstärken und durch reiche Geschenke bei guter Laune zu erhalten. Man erinnere sich, wie unser Deutschland nach dem dreissigjährigen Kriege aussah, und man wird ein schwaches Bild der Zustände gewinnen, welche Diocletian bei seiner Thronbesteigung vorfand. Auch im Römerreiche waren auf weiten Strecken die Einwohner fast ausgerottet[1], so dass hunderttausende unterworfener Barbaren auf den wüsten Aeckern angesiedelt werden konnten[2].

Den Provinzen endlich Ruhe zu schaffen, war jetzt die dringendste Aufgabe. Die schlechteste Regierung, wenn sie nur dauerte, war dem ewigen Wechsel selbst der vorzüglichsten Herrscher immer noch vorzuziehen; kein noch so harter Druck einer geordneten Verwaltung konnte so schwer lasten, wie die Morde und Plünderungen der stets wiederholten Bürgerkriege. Das Wahlrecht der Truppen anzutasten, wagte Diocletian nicht; denn erstens verdankte auch er ihm seine Erhebung und konnte sich nicht selbst als illegitim brandmarken; zweitens besassen sie ja doch immer die Gewalt und hätten gewiss auch ohne Rechtstitel davon Gebrauch gemacht, sobald sich die Gelegenheit darbot. So richtete sich denn seine ganze Politik darauf, keinen geeigneten Throncandidaten aufkommen zu lassen. Hochverrathsprocesse und Justizmorde allein reichten, so freigiebig er sie auch zur Anwendung brachte, für diesen Zweck nicht aus; er musste zu verhindern suchen, dass irgend ein Privatmann sich kriegerischen Ruhm und dadurch Ansehen bei den Soldaten schuf, mit andern Worten, der Kaiser musste alle nennenswerthen Kriege persönlich führen. Natürlich war es nicht ganz zu vermeiden, dass auf den entlegenen Grenzgebieten ein unvorhergesehener Barbareneinfall glücklich

  1. Eumen. paneg. IV 18 tot urbes diu silvis obsitas atque habitatas feris instaurari moenibus, incolis frequentari. Vgl. V 10.
  2. Eumen. paneg. V 1; 8; 9; 21; VII 6; VIII 4. Anon. Vales. 6, 32; Eutrop. IX 25, 2; Vict. Caes. 39, 43; Euseb. vit. Const. IV 6 und sonst.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_057.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2023)