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verächtlich sei. Also nicht ob ihre Gottheiten existirten, war Gegenstand des Streites zwischen den beiden religiösen Parteien, sondern nur ob der einheitliche Christengott oder die heidnische Göttervielheit ihren Anhängern mehr Heil und Segen gewähren, ihren Feinden mehr schaden könnten. Sehr wenige auserlesene Köpfe, welche sich hoch über das geistige Mittelmass erhoben, mochten vielleicht anders denken: für die grosse Masse lag in jener Machtfrage die Entscheidung. Eunapius und ihm folgend Zosimus bewiesen aus der Geschichte, dass seit der Staat sich der neuen Religion zugewandt habe, der Zorn der vernachlässigten Götter alles Unheil über ihn heraufbeschwöre und dass der Christengott es nicht abzuwenden vermöge. Orosius führte den Gegenbeweis, dass schon unter der Herrschaft des Heidenthums Blut und Thränen im Uebermass geflossen seien und also auch Jupiter und seine Genossen ihren Getreuen nicht das erwartete Glück verliehen hätten. Lactanz und Eusebius stellten dar, wie alle Verfolger der Christen trotz ihrer abergläubischen Götterverehrung ein schreckliches Ende genommen hätten, und noch von vielen andern wurde das Argument der Macht auf beiden Seiten wieder und wieder in’s Feld geführt. Gerade dieses Beweismittel musste auf einen Soldaten und Herrscher ganz besondere Wirkung ausüben. Ueber den Aberglauben des Landsknechts, welcher sich durch Amulette kugelfest macht und bald durch Gebete, bald durch Teufelsbeschwörungen das Glück an seine Fahnen heftet, war Constantin ebenso wenig erhaben, wie alle andern Soldatenkaiser seiner Zeit. So hat er später durch das Monogramm Christi seinen Helm gegen Hieb und Stich gefestigt[1] und in sein Diadem und den Zügel seines Rosses Nägel vom heiligen Kreuz einfügen lassen[2]. Dass man durch Zauberei das Wetter machen könne, glaubte er fest; zu guten Zwecken hat er es ausdrücklich gestattet[3], und einen seiner Günstlinge liess er hinrichten, weil er angeblich durch solche Künste die Kornzuführ nach Constantinopel gehemmt hatte[4]. Es ist daher kein Zufall, dass er nach langem Schwanken seine Entscheidung zu Gunsten des Christenthums gerade in dem Augenblicke

  1. Euseb. vit. Const. I 31. Die Wahrheit dieser Angabe wird durch mehrere Münzen bestätigt, welche das Monogramm am Helm deutlich zeigen.
  2. Ambros. de obit. Theod. 47.
  3. Cod. Theod. IX 16, 3.
  4. Eunap. vit. Aedes. p. 23.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_093.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)