Seite:De DZfG 1892 07 101.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

gewesen. Die Pflichten der Verwandtschaft erfüllte er treulich nicht nur gegen Helena, sondern auch gegen seine Stiefmutter Theodora und deren Descendenz[1], obgleich ihre Söhne ihm die gefährlichsten Nebenbuhler hätten werden können; denn den feigen Argwohn des Sultanismus, welcher in jedem Spross des Herrscherblutes einen Feind wittert, hat Constantius kühne Seele nie gekannt. Mildthätigkeit, die nach dem Worte der Verheissung den Himmel erschloss, war seinem freigiebigen Sinne natürlich[2]. Beherzigte er doch keinen Bibelspruch freudiger, als denjenigen, welcher gebiete, sich Freunde mit dem ungerechten Mammon zu machen[3]. Auch seine Gesetzgebung ist reich an Bestimmungen zu Gunsten der Gefangenen[4], der Wittwen und Waisen[5]; die Freilassung der Sclaven sucht sie zu befördern[6], die ausgesetzten Kinder dem Tode zu entreissen[7]. In seiner heidnischen Jugend hatte er sich daran ergötzt, gefangene Barbaren gegen wilde Thiere kämpfen zu lassen; später nahm er selbst an den viel menschlicheren Gladiatorenspielen Anstoss, suchte sie nach Möglichkeit zu hindern und verbot es, Verbrecher dazu zu verurtheilen[8]. Auch den Feinden zu verzeihen, hat er sich oft bemüht[9], soweit das Interesse des Reiches es eben zuliess. Denn dass die christliche Sittenlehre in ihrer damaligen Strenge, nach der sogar die Hinrichtung eines Verbrechers als Sünde gegen das fünfte Gebot verdammt wurde, sich mit den Aufgaben eines Herrschers nicht ganz vereinigen liess, hat Constantin zu seinem

  1. Mit Theodoras Bildniss hat er Münzen schlagen lassen, wie mit dem seiner leiblichen Mutter. Seine Brüder lebten an seinem Hofe und wurden zu den höchsen Aemtern erhoben. Tillemont, Constantin art. 85. Ihre Söhne sollten bekanntlich an seiner Nachfolge Theil haben.
  2. Euseb. vit. Const. I 43; III 58, 4; IV 28.
  3. Eutrop. X 7, 2 adfectator iusti amoris, quem omni sibi et liberalitate et docilitate quaesivit. Euseb. vit. Const. I 9. Vgl. S. 87 Anm. 1.
  4. Cod. Theod. IX 3, 1; 2; XI 7, 3.
  5. Cod. Theod. I 22, 2; III 30, 1–5; IX 21, 4 § 1; 42, 1; Euseb. vit. Const. I 43, 2.
  6. Cod. Theod. II 8, 1; IV 7, 1; 8, 5; 6; V 6, 1. Dass auch in dem Gesetze über das Züchtigungsrecht des Herrn seinen Sclaven gegenüber (Cod. Theod. IX 12, 1; 2), welches auf den ersten Blick sehr hart erscheint, doch eine Milderung des geltenden Rechtes lag, hat Seuffert S. 13 gezeigt.
  7. Cod. Theod. V 7, 1; 8, 1; XI 27.
  8. Euseb. vit. Const. IV 25; Cod. Theod. XV 12, 1.
  9. Vict. Caes. 41, 3.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_101.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)