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Schmerze freilich einsehen müssen. Da die Taufe alle Sünden, welche vorher begangen waren, abwusch und nur die späteren den strengen Christen für unverzeihlich galten, hat er ihre Vollziehung an sich in naiver Schlauheit bis zu seiner Todesstunde verschoben[1]. Aber obgleich er als Catechumene sich eine etwas laxere Moral gestatten zu können meinte, hat er sich doch sorgfältig gehütet, die Strafe des Herrn gegen sich heraufzubeschwören, und deshalb nicht mehr gesündigt, als er nach seiner Ueberzeugung sündigen musste. Denn die Pflichten gegen das Reich hat er immer noch über seine religiösen Pflichten gestellt, so ernst er diese auch auffasste.

Als er kaum zum Jüngling erwachsen war, hatte ihn Diocletian an seinen Hof berufen[2] und ihm eine militärische Stellung übertragen, die für sein Alter recht ansehnlich war[3]. Dann war er in der Umgebung des alten Kaisers bis zu dessen Abdankung durch die Provinzen des Reiches gezogen[4]. Dem launischen Greise gegenüber wird die Stellung des Kaisersohnes, der zum Thronerben bestimmt, aber noch nicht officiell als solcher anerkannt war, und durch jede Unbesonnenheit seiner Anwartschaft verlustig gehen konnte, wahrlich keine leichte gewesen sein. Er musste schweigen und sich bücken lernen, damit er die stolzen Entwürfe, welche seine junge Brust verschloss, dereinst zur Ausführung bringen könne; strenge Selbstbeherrschung bändigte seinen heftigen Sinn. Doch sein langjähriger Verkehr mit Diocletian hatte noch eine andere Folge gehabt. Der Alte hatte seine Regierungsgrundsätze mit seinem künftigen Nachfolger gewiss oft besprochen, und die Worte des gedankenreichen Greises konnten nicht ohne Einfluss auf den werdenden Herrschergeist sein. Schien doch sein System trotz vieler Mängel im Einzelnen sich bewährt zu haben, indem es dem Reiche nach unendlichen Wirren eine dauernde Regierung verschafft hatte, und gerade das Schematische desselben konnte dem unreifen Kopfe eines

  1. Euseb. vit. Const. IV 62; Hieron. chron. 2353; Ambros. de ob. Theod. 40: cui licet baptismatis gratia in ultimis constituto omnia peccata dimiserit etc.
  2. Euseb. vit. Const. I 12; 19; Praxag. bei Phot. bibl. 62.
  3. Eumen. paneg. VI 5; Lact. de mort. pers. 18; Euseb. vit. Const. I 19.
  4. Anon. Vales. 2, 2; Lact. de mort. pers. 18; 19; Euseb. vit. Const. I 19. Sein Besuch von Memphis, wahrscheinlich während des Aegyptischen Aufstandes. Euseb. or. ad. sanct. coet. 16, 2. Anwesenheit in Nicomedia im J. 303. l. l. 25, 2.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_102.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)