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Das Bedenkliche dieser Unterscheidung wird man vielleicht am besten empfinden, wenn man sich in die Stellung des Sachverständigen versetzt, der als amtlicher Vertreter seiner Wissenschaft durch die Strafprocessordnung zur Abgabe eines Gutachtens verpflichtet ist. Vielleicht fühlt er sich in sehr scharfem Gegensatz zum Angeklagten und würde, zu einer literar. Kritik aufgefordert, dessen Arbeit auf’s schärfste verurtheilen, ihr auch Entstellung der Thatsachen nachweisen. Nun aber ist er in der peinlichen Lage, dass jede erheblichere Unrichtigkeit, die er pflichtgemäss nach seiner Ueberzeugung constatirt, eine ganz andere Bedeutung erhält und den Grund zu einer schweren Bestrafung abgeben kann. Nicht jedem wird es gelingen, dabei mit der Erfüllung seiner Pflicht die gewissenhafte und vorsichtige Zurückhaltung zu vereinigen, die sich in diesem Falle augenscheinlich Prof. Koser auferlegt hat.

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Besonders bedenklich ist der Versuch, den Begriff der Majestätsbeleidigung auf solche historische Betrachtungen anzuwenden. Ist es doch Ende der 70er Jahre schon geglückt, das Vergehen der „indirecten Majestätsbeleidigung“ in die Rechtssprechung einzuführen, und sind dann doch in der That gar keine Grenzen mehr zu ziehen. Logischer Weise könnte man dann sehr wohl nicht nur verstorbene Mitglieder des Herrscherhauses, sondern auch andere historische Persönlichkeiten, Einrichtungen und Gesinnungen, die dem regierenden Monarchen anerkanntermassen sympathisch sind, unter den Schutz dieses Paragraphen stellen. Betont doch der Eröffnungsbeschluss gegen Hrn. Hopf in diesem Sinne, dass die angegriffenen Preuss. Könige „von Sr. Majestät hochgeschätzter Herrscher“ sind. Man wird allerdings, so scheint es uns, zugeben müssen (und das macht die Frage theoretisch besonders interessant), dass solche Consequenzen an sich durchaus nicht widersinnig sind. Wenn man dieselben im allgemeinen nicht zieht, so hat sich eben die Wissenschaft hier von der Handhabung der Gesetze Zugeständnisse erzwungen, die mit dem in der Gesetzgebung sonst noch fortwirkenden Geist vergangener Zeiten im Widerspruch stehen. Die Forderung der Freiheit wissenschaftlicher Forschung ist heute so mächtig, dass die Rechtsprechung sich ihr anbequemt. Wie das bei Erörterung nationalökonomischer und philosoph.-theologischer Fragen geschieht, so beansprucht es auch die Historie.

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Unterrichtsreform in Preussen. Die neuen Lehrpläne und Lehraufgaben wurden im Märzheft des CBl f. die ges. Unterr.-Verwaltg. publicirt. Wir finden in den Lehrplänen für sämmtliche Schulen die Rubrik „Deutsch und Geschichtserzählungen“, statt wie bisher „Deutsch“ schlechthin. Dieser Unterrichtsgegenstand gewinnt in den unteren Classen einige Lehrstunden, die z. Th. bei „Geschichte u. Erdkde.“ wieder eingebracht werden. In Sexta sind für „Deutsch u. G.-erzählgn.“ 4, in Quinta u. Quarta je 3 Wochenstunden bestimmt, so dass der Unterricht im Deutschen auf dem Gymnasium im Ganzen 5 Stunden gewinnt; dafür fallen bei „G. u. Erdkde.“ im Ganzen 2 Wochenstunden weg. Bei den Realgymnasien ergibt sich während des ganzen 9jähr. Cursus eine Mehrung von 1 Wochenstunde bei ersteren und e. Minderung von 2 Wochenstunden bei letzteren Lehrgegenständen: Dt., G. u. Erdkde. haben demnach am Real-gymn. mit den „G.-erzählgn.“ 1 Wochenstunde weniger als vorher ohne diese Zuthat.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_168.jpg&oldid=- (Version vom 30.6.2023)