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galten zwar nicht nach dem Rechte, wohl aber nach der Anschauung der Soldaten Bastarde dieser Art den rechtmässigen Söhnen gleich. Wenige Monate nach dem Tode Maximian’s rief es schon ein Lobredner laut in die Welt hinaus, dass Constantin seine Krone nicht der Wahl des Heeres oder der zufälligen Gunst irgend eines Menschen verdanke, sondern nur den unverlierbaren Rechten seiner kaiserlichen Abstammung[1] Dass das Blut allein den Herrscher mache, sollte die neue Theorie der Legitimität werden, und ohne Zweifel war sie natürlicher und versprach eine grössere Dauer, als das ausgetiftelte System Diocletian’s. Freilich stempelte sie alle Mitregenten Constantin’s zu Usurpatoren und stellte ihn allein als den berechtigten Herrscher hin. Derselbe Mann, welchen früher seine Bewunderung für die Diocletianische Reichsordnung zur äussersten Fügsamkeit gegen die älteren Augusti veranlasst hatte, war jetzt durch die Macht der Ereignisse, vor allem durch die Thorheiten des Congresses von Carnuntum dazu getrieben worden, seinen Mitkaisern offen den Handschuh hinzuwerfen und eine Parole auszugeben, die in ihren Consequenzen zwar nicht nothwendig zu seiner Alleinherrschaft, wohl aber zur Herrschaft seiner Familie führen musste. Ganz verliess er darum sein früheres System noch nicht[2]; einstweilen war es nur eine Forderung, die er theoretisch an die Zukunft stellte. Aber bald sollte er ihr auch praktische Folgen geben können, obgleich er noch immer sein Verhalten darauf einrichtete, jeden Bürgerkrieg so lange als möglich zu vermeiden.

Denn schon bereitete sich ein Ereigniss vor, das den Zuständen des Reiches eine ganz neue Gestalt geben sollte. Noch ehe den älteren Maximian sein Schicksal ereilte, war dessen Namensgenosse und bitterster Feind von einer Krankheit befallen worden, die ihn unter furchtbaren Qualen langsam, aber unaufhaltsam dem Tode entgegenführte. Die geschicktesten Aerzte erschöpften vergebens ihre Kunst; das Orakel des Apollo gab neue Heilverfahren an, die das Uebel noch schlimmer machten; endlich wurde sogar den Christen, deren eifrigster Verfolger Galerius bis dahin gewesen war, gesetzliche Duldung gewährt, damit sie zu

  1. Eumen. Paneg. VII, 2; 3.
  2. In einer Rede, welche Eumenius in dieser Zeit hielt, werden die Rechte der Mitkaiser noch ausdrücklich anerkannt. Paneg. VII, 1.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_300.jpg&oldid=- (Version vom 2.2.2023)