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des Erfolges gewesen war, liess den zweiten, der jetzt bevorstand, so gut wie hoffnungslos erscheinen. Das kleine Heer, welches Constantin über die Alpen geführt hatte, war durch seine blutigen Siege nicht grösser geworden. Mit 20 000 Mann aber lassen sich 100 000 vielleicht unter besonders günstigen Umständen in offener Feldschlacht besiegen, doch liegt eine solche Uebermacht in einer festen Stadt, so ist jeder Versuch eines Angriffs offenbarer Wahnwitz. Dass Maxentius, der sein ganzes Reich dem vordringenden Feinde schutzlos preisgab, durch eine Schlacht die Mauern Roms werde schützen wollen, welche sich selbst schon genügend schützten, lag ausser aller Berechnung. Und blieb er ruhig stehen, wie er es in den Kriegen gegen Severus und Galerius gethan hatte, so musste auch Constantin’s Unternehmen zweifellos scheitern[1]. Anfangs hatte dieser gehofft, Rom auch ohne Belagerung durch Hunger zu zwingen. Zu diesem Zwecke hatte er eine starke Flotte ausgerüstet, welche die drei grossen Inseln und einige Häfen des Italienischen Festlandes schon besetzt hatte und von hier aus den Afrikanischen Kornschiffen auflauerte[2]. Doch unterdessen war ihm gewiss schon durch Gefangene oder Spione bekannt geworden, dass in den Speichern der Hauptstadt Vorräthe aufgehäuft lagen, welche die Verpflegung von Volk und Heer auf lange hinaus sicher stellten[3]. Langte er also vor Rom an, ohne vorher die Armee des Feindes vernichtet zu haben, so boten sich ihm, da an einen Handstreich kaum zu denken war, nur zwei Möglichkeiten, die beide zum sicheren Untergange führten. Entweder er versuchte eine Belagerung oder er zog thatlos wieder ab. Im ersten Falle musste sein kleines Heer, um einen Befestigungsgürtel von zwei und einer halben Meile vertheilt, durch die Ausfälle weit überlegener Massen in Kurzem aufgerieben werden; im zweiten hätte ein so schmähliches Misslingen die Stimmung seiner Soldaten tief herabgedrückt und eine Verfolgung, vollends eine solche, welche mit 100 000 Mann siegesfreudiger Truppen ausgeführt werden konnte, den Rückzug bald in wilde

  1. Alle Zeugen stimmen darin überein, dass Constantin nichts mehr gefürchtet habe, als dass Maxentius es auf die Belagerung ankommen lasse, und dass Jedermann dies für wahrscheinlich hielt. Eumen. Paneg. IX, 14–16; Nazar. Paneg. X, 27; Euseb. hist. eccl. IX, 9, 3–4; vita Const. I. 37–38.
  2. Eumen. Paneg. IX, 25.
  3. Eumen. Paneg. IX, 16.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_311.jpg&oldid=- (Version vom 3.2.2023)