Seite:De DZfG 1892 07 313.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Jedes Kind kennt die Geschichte, wie Constantin im Traum geoffenbart wurde, dass er unter dem Zeichen Christi siegen werde[1]. Für Träume lassen sich nicht die gesetzlichen zwei Zeugen beibringen, durch deren Mund jede Wahrheit kund wird; die historische Kritik ist ihnen gegenüber machtlos. Doch dass sie in einem Zeitalter hoher religiöser Erregung auch geschichtlich ihre Rolle gespielt haben, kann keinem Zweifel unterliegen. Träume und Weissagungen jagten später den Maxentius in sein Verderben[2]; warum sollen sie nicht auch seinen Gegner zum Siege geführt haben? Dass Constantin’s Jugend von christlichen Einflüssen nicht unberührt geblieben war, haben wir schon dargelegt. Er hatte die Verfolgung erlebt und hatte gesehen, dass ihre Urheber seit dem Beginn derselben vom Unglück heimgesucht wurden. Im Jahre 303 war das Edict gegen die Christen publicirt; unmittelbar nach seinen Vicennalien, die er im selben Jahre gefeiert hatte, wurde Diocletian von monatelanger Krankheit ergriffen. Es folgte der Zwist zwischen Galerius und Maximian, der die ursprüngliche Thronfolgeordnung zu vernichten zwang und den Keim zu allem künftigen Unheil legte; dann die Abdankung und die tiefe Zerrüttung des Reiches, deren Ursache sie war. Von den Verfolgern schleppte nur Diocletian noch ein sieches Dasein hin, um alle Früchte seiner Lebensarbeit um sich her untergehn zu sehen; Maximian hatte durch schmählichen

  1. Lact. de mort. pers. 44. Die Geschichte von der Himmelserscheinung bei Euseb. vita Const. I, 28 sammt dem Eide Constantin’s, der sie beglaubigen soll, ist natürlich erlogen; denn wenn sie wahr wäre, könnte sie auch dem Lactanz und dem Eusebius selbst, als er die Kirchengeschichte schrieb, nicht unbekannt geblieben sein. Vgl. Crivellucci, Della fede storica di Eusebio. Livorno, 1888. Der Traum dagegen muss unmittelbar nach der Schlacht im ganzen Reiche erzählt worden sein. Denn schon im Herbst 313 spricht der heidnische Rhetor Eumenius in Gallien geheimnissvoll von einer promissa divitus victoria und von dem unmittelbaren Verkehr der Gottheit mit Constantin (Paneg. IX, 2–4). Aehnliche Andeutungen finden sich dann auch in der 321 gehaltenen Rede des Nazarius (Paneg. X, 7; 12; 16). Endlich dürfte wohl auch das instinctu divinitatis des 315 errichteten Constantinsbogens, welches nicht, wie man früher annahm, über ein ausradirtes nutu Jovis optimi maximi gesetzt ist, sondern schon von Anfang an auf der Inschrift gestanden hat, auf den Traum anspielen (CIL. VI, 1139). Vgl. Keim, der Uebertritt Constantin’s des Grossen zum Christenthum. Zürich, 1862, S. 26 ff.
  2. Eumen. IX, 4; 16; Lact. de mort. 44; Zos. II, 16, 1.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_313.jpg&oldid=- (Version vom 3.2.2023)